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Der Neuerer als Welibeglücker Oderisio (außer sich vor Erregung): Genug! Ich habe deine närrischen Exzentri zitäten, deine fixen Ideen, dein verworrenes Gefasel satt bekommen, meine Nerven ver tragen nicht deinen Modernismus, der jedes nüchterne Denken auf den Kopf stellt. Deine inneren, äußeren, perspektivischen und weiß Gott was sonst für Zentren gehen mir auf die Nerven! Agostino (mit strenger Würde): So daß du . .. Oderisio: So daß ich mich aus dem Staube mache und nie mehr deine Schwelle betrete! Agostino: Das will ich auch hoffen! IV. Carmelita (eintretend, lebhaft): Ich bin wieder da, ich kam hei der Schneiderin nicht an die Reihe. Oderisio (der eben im Begriffe war, wegzugehen, blickt verstört um sich). Carmeli ta (die Erregung der beiden Männer gewahrend, hält verlegen inne und steht schüchtern da). Längere Pause, während welcher die Situation für alle Beteiligten immer peinlicher wird. Oderisi o (das Schweigen brechend, sich verneigend): Mein Kompliment, gnä dige Frau! (Eilt davon.) Neuerliche Pause. Agostino (nervös, eine überlegene Haltung einnehmend, runzelt die Stirn). Carmelita (näherkommend): Ein Wort wechsel? Oderisio: Mehr als das. Eine heftige Szene. Carmelita: Jesus Maria! Ein Duell? Agostino: Duell? Das glaube ich kaum. Aber mit der Freundschaft ist es aus. Fast hätte ich ihm die Tür gewiesen. Carmelita: Also du wärest trotz deiner großen Ueberlegenheit doch nicht gefeit gegen Eifersucht. Agostino: Das fehlte noch! Ich würde mich daroh schämen! Carmelita: Und die heftige Szene? Agostino: (aufbrausend) Deinethalben, durch deine Scbuldl Wegen deiner Tor heiten, wegen deiner Lügen! Carmelita: Wegen meiner Lügen? Agostino: Wegen deiner Ammenmär chen! Nicht einmal mein Forschergeist ver mag dieses Dunkel zu erhellen! Warum hast du mich zum Narren gehalten? Es ist ja gar picht wahr, daß er dir den Hof macht. Er ist ja gar nicht verliebt in dich. Du ge fällst ihm nicht. Carmelita (aufspringend): Ich ge falle ihm nicht? Agostino: Er hält dich für noch ein fältiger als du bist, für eine Komödiantin, bizarr, affektiert, als kämest du aus einem russischen Ballett! Alles in allem hat er eine so geringe Meinung von dir, daß er eine schwere Beleidigung in der Zumutung sieht, sich in dich verliebt zu haben! Carmelita (mit Tränen in den Augen, vor Zorn bebend): Das alles hat er dir gesagt? Agostino: Ins Gesicht gesagt, hörst du? Drum war der Bruch zwischen uns ein unvermeidlicher. Carmelita (in krampfhaftes Schluch zen ausbrechend): So erfahre denn, daß er es Ist, der dich angelogcn hat, nicht ich! Er 1 ügt, wenn er sagt, daß er in mich nicht verliebt ist, daß er mich für eine Komö diantin hält. Sollte er aber nicht gelogen haben, so wäre sein Betragen in den letzten Tagen das unwürdigste, perfideste, ge meinste! Agostino: Beruhige dich doch, Car- 702