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Der Neuerer als Weltbeglücker I' olianten unterm Arm und in den Händen. Langsam, in Gedanken vertieft, schreitet er in den Vordergrund, ohne sich um seine Bürde zu kümmern. Plötzlich wird er sich der Last gewahr und wirft die Bücher auf den Schreibtisch. Er trocknet mit seinem laschentuch die schweißtriefende Stirn, ohne den Hut abzulegen. Er setzt sich und betrachtet die Titelblätter der Bücher. Er scheint mit sich sehr zufrieden zu sein, er hebt sich und geht im Zimmer auf und ah. Dann bleibt er stehen, um zerstreut die Zimmerdecke zu betrachten. Plötzlich macht er eine Handbewegung, als wollte er eine Fliege fangen. Aus einer Seitentür tritt Carmelita ein. Ihre keck-anmutige Gestalt, die be zaubernde Irische der Jugend ausstrahlend, ist in eine von individuellem Geschmack ge kennzeichnete Toilette gehüllt. Unter dem muschelförmigen Hütchen lügen aus einem winzigen Gesichtchen zwei unnatürlich große Augen hervor, die sich fast bis zu den Schläfen erweitern. Da ihr Gatte ihrer nicht gewahr wird, spricht sie ihn an: Agostino! Agostino (wendet sich unwillig um, antwortet aber dennoch in einem höflich liebenswürdigen Tone): Du gehst fort, Liebste? ITnterhalte dich nur, zerstreue dichl Carmelita: Willst du mich beglei ten? Agostino: Mit niehlen. Carmelita: Warst du denn nicht im Begriffe, fortzugehen? Agostino: Nein, mein Kind. Carmeli t a: Aber du hast doch den Hut aufgesetzt. Agostino: Das habe ich gar nicht be achtet. Carmelita: Du hast es nicht beach tet, aber es ist so. Agostino (sich gleichsam an den Kopf greifend, den Hut berührend): Ach so! (Den Hut ahlegend.) Ich bin soeben heim gekehrt ... in Gedanken vertieft . .. grü belnd . . . Carmelita: Wenn du mich nicht be gleiten willst, so bleibe ich zu Hause, da ich dir einiges mitzuteilen hätte. A g o s t i n o: Jetzt kann ich dir, Liebste, kein Gehör schenken. Lieber später. Du hast es mit einem Manne zu tun, dessen Zeit kostbar ist. Ich hin sehr stark be schäftigt. Carmelita: Davon merke ich nichts. Agostino: Was willst, du denn merken? Carmelita: Daß du gar soviel zu tun hättest. Agostino: Gänschen! ... Du haftest immer an Aeußerlichkeiten. Was du nicht siehst, existiert für dich nicht. Ach, der äußere Schein, der bedeutet für dich die Welt, darin erschöpft sich all deine Er kenntnis. (Seine Frau aufmerksam betrach tend.) Allerdings hast du prächtige Toilet ten, kleine Meisterwerke, die mich ein Hei dengeld kosten. Doch diese flüchtige Klage magst du unbeachtet lassen. (Mit hochmü tiger Miene.) Von der hohen sittlichen \\ arte betrachtet, auf der ich mich befinde, kommt dem Gelde nur die untergeordnete Rolle einer Episode zu . . . Wohl aber muß ich es beklagen, daß du so sehr den Aeußer lichkeiten untertan bist. Du zweifelst daran, daß ich sehr viel zu tun habe . . . warum? Bloß weil du es nicht siehst! Ich bin eben innerlich beschäftigt, da in meinem Innern wickelt sich der Prozeß ab. Carmeli t a: Entschuldige meine Neu gierde, Agostino, worin besteht eigentlich deine Arbeit? Agostino: Das ist eine Denkarbeit. Ich denke! Carmelita: Und woran denkst du? Agostino: An nichts! ... das heißt, an nichts Vorherbestimmtes, nichts Konkre tes. Meine Gedanken fliegen dahin . . . Carmelita: Wohin denn? Agostino: Glaubst du etwa, so ein Ge danke von mir wäre ein mit einer Fahrkarte versehener Reisender? Mein Denken kennt keine Grenzen. Ich denke eben nach und ich höre nicht auf zu suchen . . . Carmelita: Aber was denn? Agostino: So höre doch auf mit dem Gefrage, Liebste...! Mit deinem Ilühner- verstand kannst du mich ja doch nicht be greifen ! Carmelita: Aber ich will dich begrei fen und ich gehe da nicht nach... (Setzt sich mit entschlossener Miene.) Ich bin ganz Ohr. Agostino (sich neben sie setzend, im