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CONFERENCE DES ALLTAGS von Curt J. Braun Jetzt werden wir über die Liebe sprechen. — (Wir haben noch nie über etwas anderes gesprochen.) Aber wer wahrhaft liebt, liebt eben unaufhörlich. Nicht eine bestimmte Frau, denn diese gehört zu den Dingen, die einem passieren, — sondern die Liebe. Und da fast jeder Liebe der Drang zur Domestizierung innewohnt, kommen wir (— nicht ganz logisch, aber weil es hier gerade gebraucht wird —) zu dem Heirats- Institut . . . pardon Revuetheater der Ziegfeld Follies, welchselbijjem eines Tages Florence Gray entsprang, welchselbige wiederum gerade jetzt das Ziel erreicht hat, durch eine sensationelle Heirat das Gesprächsthema weitester Kreise zu werden . . . Nein. Falsch. Die Sache hat eine Vorgeschichte, mit der man beginnen muß, und diese Vor geschichte besteht in der Ehe des bekannten amerikanischen Millionärs Frank H. Goodrich, der vor vier Jahren heiratete und sich vor einem halben Jahr scheiden ließ. Man hat die Geschichte in allen Zeitungen gelesen . . . seine Frau, die eben falls den Ziegfeld Follies entsprungen war, führte damals Brutalität und Geiz ihres Gatten als Grund an (— bei den Verhandlungen stellte es sich heraus, daß er ihr nicht mehr als hundert paar Strümpfe pro Monat bewilligen wollte —), und bei der bekannten mannfeindlichen Einstellung der amerikanischen Scheidungshöfe wurde dieser Grund als ausreichend betrachtet, Herrn Frank H. Goodrich für schuldig zu erklären und die Erziehung des zweijährigen Kindes dieser Ehe in die Hände der Mutter zu legen. Es kam dann die sehr bekannte Geschichte, daß Herr Goodrich zwei Monate später sein Kind entführte, — und zwar während eines Aufenthaltes seiner Frau in Paris, wo er plötzlich per Flugzeug auftauchte, sein Kind mittels einer wilden Auto raserei an sich brachte, trotzdem seine geschiedene Frau es durch mehrere Detektive überwachen ließ, und wieder im Flugzeug nach der Schweiz mit sich nahm. Alle folgenden Verhandlungen blieben ergebnislos, die Behörden kümmerten sich nicht um den Fall, da über eine derartige Kindesentführung noch keine inter nationalen Vereinbarungen getroffen sind, — — und es hatte für Außenstehende den Anschein, als habe sich Mrs. Goodrich definitiv mit der Tatsache abgefunden, ihr Kind in den Händen des Mannes zu lassen, der sie selbst für gänzlich ungeeignet erklärt hatte, die Erziehung des Kindes zu leiten. — Man erfährt erst jetzt, daß Mrs. Goodrich keineswegs resignierte. Als alle Ver suche scheiterten, beschloß sie, ihren früheren Ehemann mit seinen eigenen Mitteln zu schlagen und das Kind ebenfalls entführen zu lassen . . . und dies ist der Moment, in dem die früher erwähnte Florence Gray von den Ziegfeld Follies auf den Plan tritt. Denn Mrs. Helen Goodrich arbeitete mit dem untrüglichen Kampfinstinkt der Frau: sie schickte eine Freundin vor, die scheinbar in dem abgelegenen Schloß des Herrn Frank H. Goodrich einen harmlosen Besuch machen, sich mit ihm äußerst freund schaftlich stellen — und bei passender Gelegenheit mit dem Kinde verschwinden sollte . . . Florence Gray war — wie sie selbst sagt: aus idealen Motiven und als Vor kämpferin einer Mutterliebe — dazu durchaus bereit. Sie reiste ab und berichtete brieflich über das Vorschreiten ihres Planes: daß sie bereits das Vertrauen des Herrn Goodrich gewonnen habe, — daß sie von Tag zu Tage mit ihm freundschaftlicher stehe, — daß er bereits das Kind wiederholt ihrer Obhut anvertraue und sie deshalb