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Untergrundbahn, dort, wo sie in die Hochbahn übergeht. Sie kannte die Stelle seit Jahren, kannte diesen Augen blick, der unbewußt von ihr vorgedacht Mar: In dem Augenblick, wo der Zug mit unverminderter Schnelligkeit aus dem Tunnel auftaudite, mußte man her unterspringen. das war unfehlbar. Und das war jetzt. Es stieg wieder Span nung in ihr auf. sie wartete auf das Rauschen des Zuges, das Klingen der Schienen. Es kam nicht. Eine Uhr schlug. Um 5 Uhr früh fuhr kein Zug. Sollte sie sich schämen? Die Spannung war abgefallen. Anna ging weiter. Es zog ein gelbliches Grau durch den Regen, es wurde heller, Wind fegte die Wolken weg. Anna landete am Bahnhof. Es roch nach Rauch. Menschen rannten und schwirrten an ihr vorbei, sie faßte un willkürlich ihre Tasche fester. Durch das Leder fühlte sie die Kanten des Bank buches. Sie ging in den Waschraum, riß Hut und Bluse ab und wusch sich lange und eifrig. Sie fühlte ihre Haut frisch werden, puderte sich, kämmte sich mit dem kleinen Taschenkamm. Den Koffer, voll von Reisebequemlichkeiten, öffnete sie nicht. So wie er war, gab sie ihn in der Gepäckstelle ab. Sie stand, nachdem sie ihn hingegeben hatte, auf den Gepäckschein wartend, am Schalter, als käme sie von einer Reise. Aber auch, als hätte sie etwas weggeschlossen, eingepackt und ver wahrt, an das man nicht rühren sollte — wenn es auch im Augenblick nichts w T ar als ein paar verwischte Bilder — — von einem Weg ohne Ende in fahlem Licht, Herrn Lindermann in der Glaskugel, einer schwarzen, ölschillernden Pfütze zwischen den Schienen der Untergrund bahn. Um sieben Uhr saß sie, ein wenig blaß, aber mit klaren Augen, auf einer Bank im Tiergarten und wartete. Denn sie mußte die richtige Zeit abpassen, um vor den ändern im Büro zu sein. Zehn Minuten vor acht grüßte sie der Portier, zwei Finger am Mützenrand. Mit langem Schurren zog sich das schwere Tor vor ihr auf. Ihulmschau Offenbadi roird wieder leben dig. Von H. H. Stucken- schmidt I Auflösung der Intel ligenz-Aufgabe „Wie schnell fährt dieses Auto?" I Zwei neue Lawinenrätsel I Auflösungen der Lawinenrätsel aus der vorigen Nummer Golf mit Wörtern I Auflösung des Scherz rätsels „Geschüttelte Maler" aus der vorigen Nummer Offenbacli wird wieder lebendig Zu seinem 50. Todestag V on H. H. iStucJcensditnidt I n diesen Tagen wird uns ein Datum an die Existenz eines merkwürdigen Menschen und Musikers erinnern, der die künstlerische Entwicklung der Ge genwart in genialer Weise vorausgeahnt und vorweggenommen hat. Es ist am 5. Oktober 50 Jahre her, daß der 61 jäh rige Jacques Offenbach in Paris starb. Dieser Mann, von der Musikgeschichte hartnäckig verleumdet und verkannt, hat für das Theater der Gegenwart eine entscheidende Tat vollbracht: er hat den neuen Typus der leichten Musik, das Volkslied der Großstadt und seine dra matische Erweiterung, die Operette er schaffen. Aus der Enge eines klein bürgerlich-jüdischen Milieus (sein Vater war der Kantor Juda Ebertsch) floh er in das Paris der zweiten Republik, das er bald als unumschränkter Diktator der Amüsierindustrie beherrschte, dessen Sitten und Ideale er mit aristopha nischer Frechheit im Zerrspiegel seiner höchst persönlichen und agilen Kammer kunst auffing und reflektierte. Die intime dramatische Gattung, mit der er seine Theaterlaufbahn begann, der Sing spiel-Einakter mit nur zwei bis vier handelnden Personen, war ein Ergebnis der äußeren Verhältnisse. Das winzige Haus in den Champs LKsees. m t o Offen bach seine Bouffes Pnrisiens eröffnete. 98