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Kriege in allen Welt!eilen besaß. Vor dem Kriege hatte England rund 80 Mil liarden Mark ausgeliehen, davon etwa die Hälfte in seine Kolonien, aber auch etwa 15 Milliarden Mark nach den Ver einigten Staaten, die ohne das eng lische Geld niemals in der Lage gewesen wären, ihre Eisenbahn und Industrie aufzubauen. Es ist gewiß kein Zufall, daß auch der Grundstock zu dem Morgansdien Vermögen daher stammt, daß es dem Großvater des heutigen Weltbankiers gelang, englisches Kapital nach Amerika hinüberzubringen. Auch heute nodi arbeiten neun bis zehn Milliarden Mark, die Engländern ge hören, in den Vereinigten Staaten. Allerdings ändert sidr das Verhältnis fortgesetzt zu Ungunsten Englands. Während Amerika im Jahre 1928 über seinen eigenen Bedarf hinaus noch über sedis Milliarden Mark an lang fristigen Anleihen ins Ausland geben konnte, hat England zur selben Zeit außerhalb des Mutterlandes und der Kolonien nur eine Milliarde Mark auf lange Frist verliehen, und das war be reits für London eine Rekordleistung. Die Amerikaner genieren sich auch durchaus nicht, England ihre Stärke deutlidi vor Augen zu führen. In den ersten Jahren nach dem Kriege ver suchten einige übermütig gewordene englische Kriegsgewinnler, besonders der englische Rüstungskonzern Vickers, in Amerika festen Fuß zu fassen. Aber dieser "Versuch ist ihnen schlecht bekom men, und seither revanchieren sich die Amerikaner gründlich. Die amerika nische General Electric Company hat nicht nur einen Teil der inzwischen ver krachten \ ickers-Unternehinungen in England selbst aufgekauft, sondern gleich noch ein paar andere Gesell schaften dazu, und Mister Owen D. Young hat daraus einen einheitlichen amerikanischen Elektrizitätskonzern auf englischem Boclen gemacht: d ie Associa ted Electrical Industries Ltd., in der 30 000 Arbeiter beschäftigt sind. Seit dem vorigen Winter versucht die ameri kanische General Electric auch in das größte englische Elektrizitätsunterneh men, die britische General Electric Com pany, einzudringen, die mit ihrer ameri kanischen Namensschwester bis dahin nichts zu tun hatte. Die Engländer waren darüber anfangs sehr empört und bemühten sich, den Amerikanern den Eintritt in die Verwaltung ihrer größten Elektrizitätsgesellschaft zu verwehren. Aber in den letzten Monaten ist es da von sehr still geworden. Offenbar hat man sich doch mit den Amerikanern ge einigt und ihnen auf gütlichem W T ege die Tür geöffnet. Auch in anderen Industrien rücken die Amerikaner in England selbst vor. Mister Ford ist dabei, auf einem riesi gen Terrain eine eigene Automobil fabrik zu bauen. In dem größten eng lischen Chemiekonzern, der Imperial Chemical Industries, arbeitet amerika nisches Kapital, und wahrscheinlich hat John Pierpont Morgan bei den Entschei dungen dieses ausgesprochen „natio nalen“ englischen Chemietrusts ein ge wichtiges W r ort mitzureclen. Größere Schwierigkeiten machen die Engländer den Amerikanern neuerdings auf dem Gebiet der Filmindustrie, nachdem die Amerikaner bereits den ganzen eng lischen Markt erobert hatten. Mit Hilfe starker Geldunterstützungen der eng lischen Regierung hat man in aller Eile eine nationale britische Filmindustrie aus dem Boden gestampft und dafür eine halbe Milliarde Mark ausgegeben. Ob diese Filmgrünclungen im Umkreis von London aber von langer Lebens dauer sein -werden, ist höchst zweifel haft. Gute Kenner sagen der künstlich hochgeschossenen englischen Filmindu strie ein baldiges Ende voraus. Wenn man auch in England selbst sehr viel von der Ueberfremdungsgefahr durch die Amerikaner spricht, so brau chen die Engländer in ihrem eigenen Lande natürlich nichts Ernsthaftes zu befürchten. Auch in ihren Kolonien haben die Engländer wirtschaftlich eine so starke Stellung, daß sie die Ameri kaner mit Leichtigkeit fernhalten kön nen. Das englische Kanada, der Grenz- 15