Volltext Seite (XML)
dann wurde halt mit Rockefel lerschem Gelde eine kleine Revolution inszeniert, zu der sich schon immer irgendein ehrgeiziger Oberst und ein Regiment Soldaten fanden. Mit die sem bequemen Verfahren war es nun vorbei, denn hinter der Shell Co. stand nicht nur eine Kapitalmacht, die nicht ohne weiteres beiseite zu schieben war, hinter ihr stand England, und England trieb im Gegensatz zur Washingtoner Regierung eine sehr be wußte Petroleumpolitik und stellte sich, wie immer, rückhaltlos hinter seine Wirtschafts vorposten. Die britische Petroleumpolitik wurde mit besonderem Nachdruck von der Admiralität betrieben, die schon früh er kannte, welche Bedeutung das Öl als Heiz material für die Flotte gewinnen könnte. Die erste Anregung ist wohl von Lord Fisher aus gegangen, der schon im Jahre 1904 eine ..nationale Petroleumpolitik“ proklamierte. Verwirklicht wurde sie aber erst kurz vor dem Kriege, als Churchill Erster Seelord war. Unter seiner Ägide übernahm das englische Marineamt die Aktienmehrheit der Anglo- Persian Oil Co., der die wichtigsten Ölfelder in Persien gehörten. Die Gründungsgeschichte dieser Gesell schaft ist noch weit verzwickter als die der beiden großen Öltrusts. Der Mann, der als erster die persischen Ölfelder zu erschließen suchte, war eine echte Abenteurernatur, der Neuseeländer William Ivnox d'Arcy, der sich als Goldgräber in den Mount-Morgan-Minen ein Vermögen gemacht hatte und das nun bei der Erdölgewinnung zu vervielfachen hoffte. Durch verworrene Manipulationen gelang es ihm, von der persischen Regierung eine Konzession zu bekommen, die wohl einzig auf der Welt dastand. Die guten Leute in Teheran übertrugen dem Neuseeländer nicht mehr und nicht weniger als eine Ge neralkonzession für sechzig Jahre auf ganz Persien mit Ausnahme der fünf nördlichen Provinzen. D'Arcy ging mit großem Schneid an das Geschäft heran, verpulverte etliche Millionen bei Bohrversuchen, aber das Gold graben war doch augenscheinlich leichter als die ülproduktion. Nach ein paar Jahren warf er die Karre hin und versuchte seine Kon zession an ausländische Gesellschaften zu veräußern. In London erfuhr man davon, und die Piegierung ließ durch Lord Strath- cona, der als Vorsitzender der bedeutenden Burmah Oil Co. mit dem asiatischen Ölge schäft vertraut war, die Konzessionen d’Arcys aufkaufen, finanzierte in großzügiger Weise die Anlegung neuer Bobrslellen und über nahm schließlich selbst die von Strathconai gegründete Anglo-Persian Oil Co. Wenn diese Gesellschaft auch mit den beiden Groß trusts nicht zu vergleichen ist, so bildet sie doch eine sehr wertvolle Ergänzung der Ül- macht, die England in der Royal Dutch Shell Co. besitzt. Nach einem Interessenverr trag arbeiten die rein englische und die eng lisch-holländische Gruppe freundschaftlich miteinander; und in jüngster Zeit ist sogar das Projekt aufgetaucht, die beiden Konzerne vollkommen miteinander zu verschmelzen, wodurch das englische Kapital das Über gewicht in der gesamten Gruppe erhalten würde. Die Standard Oil Co. sieht sich also heute einer anderen Situation gegenüber. Die Lage hat sich für die Amerikaner dadurch noch verschärft, daß sie während des Krieges all zu gründlich die Konjunktur ausgenutzt ha ben. Während die englischen Gesellschaften mit ihren Ölvorräten haushielten, haben die Amerikaner für die Kriegsflotte und für die von Jahr zu Jahr wachsende Automobilindu- strie geliefert und geliefert. Das Ergebnis davon ist, daß die Standard Oil Co. zwar noch immer der weitaus größte Ölproduzent ist, daß aber die A 7 orräte an manchen Stellen doch schon knapp werden und kostspieligere Bohranlagen geschaffen werden müssen, wäh rend die englischen Gesellschaften über fast unbegrenzte Reserven verfügen. Die Amerikaner sind sich über diese Lage im klaren, und desto schärfer hat in den letzten Jahren der Konkurrenzkampf zwi schen der amerikanischen und der englischen Gruppe eingesetzt. Man kämpft nicht mehr nur wie früher um die Absatzgebiete, son dern man kämpft um die Produktionsstätten. Damit hat aber der Kampf in verstärktem Maße eine politische Bedeutung gewonnen, denn die Natur hat nun einmal gewollt, daß sich das Erdöl — im Gegensatz zur Kohle — gerade in solchen Ländern findet, die po litisch schwach und ohnmächtig sind, in 7 67