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auseinandergenommen, aber das System blieb aufrecht erhallen. Durch ein sogenanntes , ,gen tlernen ’s agreement“ ‘, durch rechtlich nich t faßbare Verabredungen zwischen den leiten den Direktoren der einzelnen Gesellschaften, blieb der Zusammenhang aufrechterhalten, und die Regierung war abermals gefoppt. Die Standard Oil wuchs und wuchs, immer neue Gesellschaften wurden angegliedert, wo sich einzelne Unternehmer gegen die Über macht desRockefeller-Trusts autlehnten, wur den sie durch rigoroseste Preisunterbietungen niederkonkurriert, und als die inzwischen selbst groß und mächtig gewordenen Eisen bahnen sich gegen die Ausnahmetarife, die Rockefeller verlangte, auflehnten, machte er kurzen Prozeß und ließ für den Abtransport des Petroleums innerhalb der Vereinigten Staaten ein Röhrennetz bauen, das heute der Kilometerzahl nach länger ist als das deutsche Eisenbahnnetz. Der riesenhafte Aufschwung, den die Rockefellersche Petroleum-Organi sation in aller Welt nahm, kommt in den, wachsenden Kapitalziffern ihrer Ilaupt- gesellschaften zum Ausdruck. Die Standard Oil Company, die 1870 mit einer Million Dollar angefangen hat, zählte zwölf Jahre später schon 70 Millionen Dollar Kapital, und 1913, bevor die Gesellschaft wieder zer legt wurde, betrug der Marktwert ihrer Aktien 675 Millionen Dollar, also rund drei Mil liarden Mark. Trotz einer jährlichen Gewinn ausschüttung von 3 o bis 4 o Prozent gingen die Rücklagen ins Ungeheure, und ent sprechend wuchs das Vermögen des llaupt- aktionärs, John D. Rockefellers. Schon lange vor dem Kriege wurde das Vermögen dieses Mannes auf zwei Milliarden Goldmark ge schätzt und sein Einkommen auf 3 oo bis 4 oo Millionen Mark. Fleißige Statistiker haben berechnet, daß John D. Rockefeiler in jeder Minute 692 Mark an Revenuen be zieht — ein Rekord, den ihm kein anderer Krösus nachmacht. Der kaum vorstellbare Reichtum Rocke fellers, gegen den das Vermögen von Krupp und Stinnes in ihren besten Tagen verblaßt, hat seinen Besitzer nicht vor schweren per sönlichen Angriffen bewahrt. Die letzte und kühnste Attacke ritt der Präsident der Ver einigten Staaten in persona, Theodor Roose- velt. Vor der Präsidentenwahl, im Jahre 1907, behaupteten seine demokratischen Geg ner, die Republikaner, die Partei lloosevelts, begünstigten die großen Trusts. Um das Gegenteil zu beweisen, unternahm der Präsi dent einen ganz tollen Streich. Er ließ den fast 70jährigen John D. Rockefeiler wegen unlauteren Wettbewerbs vor Gericht stellen. Aber John D. Rockefeiler hatte keine Nei gung, sich freiwillig zu melden, und so machte man tagelang auf ihn Jagd, bis man ihn schließlich lebendig ,.erlegte“ und vor den Kadi schleppte. Rockefeiler hat auch diesen sensationellen Prozeß überstanden, und selbst die 29 Millionen Dollar, zu denen ihn der Chikagoer Gerichtshof verurteilte 1 ,, haben seinem Vermögen und seinen Gesell schaften nichts geschadet. Erst in den letzten Jahren hat sich der alte Rockefeller etwas zurückgezogen und die Leitung seiner Gesellschaften seinen Direk toren W. C. Teagle und C. Bedford über lassen. Wie sich bei einer Gerichtsverhand lung herausstellte, hat er auch bereits seine gesamten Standard-Oil-Aktien und den größ ten Teil seines sonstigen Vermögens, das in Stahl- und Eisenbahnunternehmungen, aber auch in amerikanischen und ausländischen Anleihen angelegt ist, seinen Kindern ver macht, um einmal der Erbschaftssteuer zu entgehen und noch im Tode dem Staat ein Schnippchen zu schlagen. Das große Ziel Rockefellers, seinem Trust die Monopolstellung in der ganzen Welt zu verschaffen, ist trotz der gigantischen Aus maße der Standard Oil Company nicht er reicht worden. Zu einer Zeit, wo die Standard Oil schon unangreifbar schien, ist außerhalb Amerikas der Grundstein zu einem Petroleumunternehmen gelegt worden, das neben dem Rockefeller-Konzern heute eine Weltmacht darstellt und im Laufe dreier Jahrzehnte zu einem gefährlichen Rivalen des Rockefeller-Trusts geworden ist. Die Royal-Dutch-Shell-Gruppe, der große hollän disch-englische Konkurrenztrust der Standard Oil Company, ist zwar nicht das Werk eines einzelnen überragenden Wirlschaftsgewalti- gen, aber im wesentlichen verdankt sie ihre Größe doch auch einem Manne. II. W. A. Deterding, der holländische Generaldirektor 64