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DIE SCHACHFIGUR Von L i s a H onroth~Löwe Zeichnung von Tkeo M atejlto E s war am Abend nach meiner An kunft auf dem Gute meines Freun- ' des, des Grafen K. Wir hatten eine ziemlich kräftige Rotweinbowle ge trunken, hatten von gemeinsamen Freun den, Fahrten und Abenteuern geplaudert, behaglich, nachdenklich, wie nur Männer sich zusammenfinden können. „Wissen Sie, worauf ich noch Lust hätte?“ sagte ich spät in der Nacht. „Auf einen türkischen Kaffee, wie wir ihn seit Luxor nicht mehr zusammen tranken, und auf eine Partie Schach mit Ihnen, ich habe auch darin seitdem keinen besseren Partner gefunden.“ „Den türkischen Kaffee sollen Sie haben,“ sagte mein Gastfreund mit einer merkwürdig tonlosen Stimme, indes er an den Gong schlug, „auf das Schachspiel aber werden Sie verzichten müssen. Ich spiele nicht mehr. Sie sehen, auch die Schachtische habe ich aus der Bibliothek verbannt.“ „Warum?“ fragte ich erstaunt. „Sie, der leidenschaftliche Spieler?“ „Später,“ sagte Graf K. mit einer ab wehrenden Geste, „später, wenn wir beim Kaffee sind, — ja, vielleicht habe ich auf Sie gewartet, Georg, um mich im Ge spräch mit Ihnen zu befreien.“ Ich schwieg wartend, indes Graf K., wie von quälenden Gedanken getrieben, in dem großen halbdunklen Raume hin und her ging. Schließlich blieb er, mir ab gewandt, am Fenster stehen und sah in das Dunkel hinaus, das von Sturm und, stürzendem Regen brauste. Endlich, als der Diener in den gestiel ten Messingbechern den schwarzen Kaffee hingestellt und sich wieder entfernt hatte, kam Graf K. vom Fenster her an unsern Platz am erhellten Kamin zurück, und nachdem er das Schälchen mit dem heißen türkischen Kaffee hinuntergestürzt hatte, gleichsam wie man ein Narkotikum nimmt, begann er seine Erzählung. „Sie erinnern sich, Georg, daß ich nach unserer letzten gemeinsamen Forschungs reise in den arabischen Guebel hinein im nächsten Jahre noch einmal hinüber ging, um meine Erfahrungen in den Dialekten der Bischarin zu erweitern. Ich nahm ein Schiff von Genua aus. Auf diesem Schiff reiste mit mir ein arabischer Pascha, der von einer Jagdeinladung aus Schottland zurückkehrte, um den Winter wieder in seinem Schlosse an der Küste zu ver bringen. Ich sah ihn häufig in der Ge sellschaft einer jungen Engländerin, die mit einer ältlichen Begleiterin zum Winter aufenthalt nach Luxor reiste. Ich sah bald, daß der Pascha, ein außerordentlich schöner Mann reinster Rasse, großes Interesse an dieser Engländerin hatte. Ich sah aber ebensogut, daß die Freundlich keit, ja das Entgegenkommen, das sie ihm erwies, nur ein Versuch war, wieweit ihre Schönheit die Leidenschaft dieses ihr 59