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richtet, die darauf deuten, daß sie durch schaut hat, nicht allein, daß die große Dame ihr den bewunderten Freund Moritz von Sachsen streitig machen will, sondern auch, daß sie Pläne gegen das Leben der Schauspielerin schmiedet. Es war blen dend schön, aber es bereicherte den Zu schauer nicht. Was sie gab, war jedoch eine Verherrlfchung der Schauspielkunst und mußte als solche ihrem Herzen nahe liegen. Scribe konnte im Norden keinen Enthusiasmus wecken Sarah wirkte hier nicht als Dolmetschtirin, sondern ganz persönlich, was ihr wohl auch das liebste war. In Kopenhagen war ihr Ruf ihr voraus gegangen. Man hatte von ihr gehört, sie sei so mager, daß sie in einem Ge wehrlauf sich aus strecken könne, und so extravagant, daß sie neben ihrem Bett einen Sarg stehen habe, in welchem sie biswei len schlief. Unwissend wie sie war, glaubte sie an das von einem Hotelwirt eingerichtete Grab Hamlets bei Helsingör, wurde feierlich auf einem Dampfer dahingeführt, trank ein Glas Champagner an die sem Grabort, wonach mit lächerlichem Snobismus ein dänischer Ver ehrer das Glas zerschlug, damit niemand wagen sollte, nach Sarah daraus zu trinken. Um den Gipfel der Lächerlichkeit nicht un- bestiegen zu lassen, zerschlugen darauf die Dänen, die alle Damen, fast Statistinnen, ihrer Truppe bis zum falschen Grab be gleitet hatten, auch deren Champagnergläser. Dies erstemal, wo sie in Kopenhagen war, wurde sie die recht unschuldige Ursache einer diplomatischen Katastrophe. Der deut sche Gesandte, namens Magnus, wurde von ihr so entzückt, daß er bei einer öffent lichen Feier vor ihr niederkniete und in Gegenwart der Anwesenden äußerte, er würde gleichviel was geben, um ihr zu ge fallen. Sie, die als geborene holländische Jüdin das stärkste Bedürfnis fühlte, ihre patriotischen französischen Gefühle zu betonen, antwortete: „Geben Sie Elsaß und Lothringen zurück!“ — Die Folge war nicht, daß Sarah diese Länder, aber daß der Gesandte seinen Ab schied von Bismarck erhielt. — Man behandelte sie damals in der französischen Presse und Literatur recht feind lich. Eine Schauspiele rin, eine Rivalin, deren Name mir im Augen blick entschlüpft ist, schrieb gegen sie den gehässigen Roman ,D i n a h Samuel', wo ihre jüdische Herkunft und ihre vermeintlichen Aus schweifungen mit Hohn und Wut be handelt werden. So gar Schriftsteller, die einen gewissen Namen hatten, erniedrigten sich, sie mit Pamphleten zu überschütten. Die sie verfol gende Schauspielerin wurde von Sarah Bernhardt durch einen Schlag mit der Reit gerte über das Gesicht ge straft. Sie hieß Marie ... ich weiß nicht mehr wie. Übrigens gab die fast unglaubliche Re klamesucht Sarahs zu nicht unberechtigten Satiren Anlaß. Sie pflegte mit ihrem da maligen Liebling, dem Zeichner Clairin, im Ballon captif aufzusleigen, und sie schil derte diese Fahrten in dem illustrierten Büchlein Impressions d’une chaise. Darin sagt der Stuhl: „Plötzlich ergoß sich ein Meer von Stickereien über mich. Es war Sarah, die sich auf mich setzte.“ Sie hatte sehr große Vorzüge, aber keinen Geschmack. Sarali Bernhardt nadi einem Gemälde von G. Dor£ 2 4