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Sprachen und Finanzdinge, balgte sich mit Geographie und Naturwissenschaften oder stöberte hinter den Weisheiten alter und neuer Philosophen herum. Sein Wissen war sehr groß und vielseitig. Und seine Phantasie war unerschöpflich. — Wenn die Cajotos um die Felsriffe strichen und die W üste von ihrem melan cholischen Geheul ertönen ließen, dann baute er aus seinen Plänen Gerüste, die bis an die Sterne stießen. Und, bei Gott, er hätte alles erreicht, was er wollte. Aber Regelmäßig begann es damit, daß er sich die spitzfindige Frage stellte: was hat das nun alles für einen Zweck? — Dieser Frage war er aus irgendeinem Grunde so wenig gewachsen, daß seine Stimmung ihn unweigerlich niederdrückte und ihn leer und hohl stehen ließ, ohne Halt und Hoffnung. Dann begann er zu trinken. W 7 enn er aber trank, dann war er mit einem Schlage lustig, gesellig, aufschnei derisch und tateneifrig. Er trank und haschte dabei unermüdlich nach Publi- kumserfolgen, wie wenn er sich und den anderen in steter Steigerung beweisen wollte, w'as für ein unerhörter Kerl er wäre. Die allerwildesten Tollheitstaten aber beging er, wenn sein Gold ver trunken, die letzte Pumpquelle versiegt wai und er in sämtlichen Kneipen sich bis an die äußerste Kreditgrenze durch gesoffen hatte. Dann überhitzte er seine gewaltige Phantasie, indem er die gewag testen Wetten vorschlug. Sein Leben setzte er aufs Spiel wie ein beiläufiges Nichts. Und zum Tier erniedrigte er sich m völliger Schamlosigkeit, um als Bettel preis ein allerletztes Glas Wdiisky zu er haschen, bevor der Nervenzusammenbruch kam, aus dem er sich dann nach Tagen endlich aufralfle, um mürrisch und ver drossen sein arbeitsames Einsiedlerleben wieder aufzunehmen. -- Eines Abends nun befand sich Harris Taylor wieder vor dem letzten Stadium. Er lehnte inmitten einer Rotte verkomme ner Kerle an der Bar des allerschäbigsten Lokals von Goldfield, vvo nur wenige an ständige Goldgräber verkehrten. „Wetten, daß ich auf 5o Schritt ei nem von euch einen halben Dollar aus der Hand schieße?** rief er heiser. Man hörte kaum hin. „Einen WTiisky, wenn ich mir von Irish Joe einen Cent aus der Hand schießen lasse! -- Irish Joe war der schlechteste Schütze von Goldfield. Das bedeutete, daß er zu schlecht schoß, um den Cent zu treffen, aber immer noch gut genug, um die haltende Hand tol- s ich er zu zerschmettern. — Irish Joe (rat bereitwillig vor und zog seinen Revolver. Einige lachten. Aber niemand bot. Der Anblick einer zerschossenen Hand wog hierzulande keinen Whisky auf. Ein Mann mit einem großen Vollhart trank Harris Taylor zu, um ihn zu hän seln. I aylor stierte das Glas an. Der Speichel lief ihm vor Gier aus den Mund winkeln, und seine Hände zitterten wie die eines alten Weibes. „Einen Whisky, wenn — wenn —“ Sein Hirn arbeitete fieberhaft. Plötzlich warf er sich in die Brust: „Wenn ich ohne Waffe zu Jim Plotter gehe und ihm eine Ohrfeige gebe!“ Die wilde Rotte horchte auf. — Jim Plotter war der Mayor von Goldfield. Ein anständiger und gerechter Mann. Aber leicht in Zorn zu bringen, und ein unfehl barer Schütze. Man überlegte. Man zuckte die Ach seln. Niemand bot.