ungewöhnlichen Todesfällen. Karl Fried richs ältester Sohn, Karl Ludwig, war be reits zu Lebzeiten seines Vaters 1801 in Schweden durch einen Sturz aus dem Wagen tödlich verunglückt. Auf Karl Friedrich folgte daher 1811 sein Enkel Karl, der nach siebenjähriger Regierung, erst 32 Jahre alt, ohne männliche Nachkommen starb. Er hatte aus seiner Ehe mit Stephanie Beau harnais, der Adoptivtochter Napoleons, fünf Kinder, drei Mädchen und zwei Knaben. Während die Töchter auf wuchsen, starben beide Söhne in frühestem Kindesalter: der am 29. September 1812 geborene ältere am 16. Oktober desselben Jahres, der am 1. Mai 1816 geborene andere am 8. Mai des folgen den Jahres. Wenige Tage nach dem letzteren war endlich auch Karl Friedrichs zweiter Sohn aus erster Ehe, Markgraf Friedrich, Oi jährig, kinderlos gestorben, der letzte, der noch zwischen Ludwig und dem Thron ge standen hatte. Kein Wunder, daß diese gehäuften, meist ohne längere Krankheit erfolgten Todesfälle zu allerhand Verdächtigungen Anlaß gaben, wie sie unter ganz ähnlichen Verhältnissen einst gegen die zweite Gemahlin des Großen Kurfürsten, Dorothea, erhoben worden wa ren. Durch das Auftauchen Hausers erhielten nun diese vagen Gerüchte unversehens einen bestimmten Anhaltspunkt. Nach Ausweis des mitgebrachten Briefes war er im Oktober 1812 ausgesetzt worden; und in eben die sem Monat war das älteste Söhnlein des Großherzogs Karl gestorben. Der Tag und das Geburtsdatum stimmten freilich nicht. Aber Kaspars angeblicher Geburtstag ( 3 o. April) differierte nur um einen Tag von dem des zweiten Prinzen (1. Mai). Feuer bachs Vermutung ging dahin: Kaspar sei jener älteste Sohn Karls, an dessen Stelle man ein untergeschobenesKind habe sterben lassen. Warum aber diese Unterschiebung und eine so schwierige, kostspielige und gefähr liche Gefangenhaltung statt der einfacheren und sichereren Umbringung? Feuerbach hatte sich auf diese naheliegende Frage mit dem uralten Märchenmotiv geholfen: Viel leicht habe der beauftragte Mörder (etwa der Arzt des Kindes) aus Gewissensbedenken den Auftrag nur zum Schein vollzogen. Spä* tere Verfechter der Feuerbachschen Ansicht waren in diesem Punkte raffinierter. Für Ludwig zwar war durch den Tod des Prin zen der Weg zum Throne geöffnet. Wenn er sich aber noch vermählte und Söhne zeugte, so waren die Hochbergs um den Thron ba- trogen. Ein bloßes Versprechen, unver heiratet zu bleiben, bot bei Ludwigs Cha rakter keine hinlängliche Sicherheit. Es be durfte eines stärkeren Druckmittels. Und welches hätte wirksamer sein können als die Drohung, den legitimen Thronerben wieder aus dem Grabe auferstehen zu lassen! „Das Kind Europas“ Kaspar Hauser in der Tracht, in der er aufgefunden wurde. 73