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Aus Jen Erinnerungen eines Sckl af Wagenkontrolleurs V 2 rö ffe ntlic O h, wenn erst ein Schlafwagen kontrolleur aus seinem Kabinen innenleben plaudern würde! Ge nerationen von Possenpoeten könnten —! Ruhig! Hat ihm schon!! Und zwar nicht nur einen, sondern zwei. Und der andere keineswegs ein ganz ge wöhnlicher Schaffner, sondern ein „chef de train“ der Internationalen Schlafwagen gesellschaft, der ein Jahrzehnt lang Luxus züge mit den merkwürdigsten Lebewesen durch Europa geleitete. Heinrich Her mann Husserl ist sein Name, Wien seine Heimat. Nutzt nunmehr seinen schönen freien Lebensabend aus, um von all den Dingen den dicken Mantel der Verschwie genheit zu entfernen, der bisher für den gewöhnlichen sterblichen Nichtschlaf wagenkontrolleur um sie gehüllt war. — Also einmal war’s, als Freund Husserl die fast blinde Gattin des Schahs Nasr ed Din von Persien nebst 20 Fez-Mann- und Schleier-Damen-Gefolge zur Augenopera lion von der russischen Grenze in zwei Separatschlafwagen nach Wien schaffen mußte. Der Ilofkoch bestand unterwegs darauf, seiner Herrin ein rituelles Mit tagsmahl vorzusetzen. Ausreden half nichts! Ausgerechnet persisch rituell im Wiener D-Zuge! Man hatte nicht einmal einen Ofen, geschweige Butter, Eier, Mehl. Aber die Perser scheinen Eisenköpfe zu haben! t von ILgon Husserl schrieb alle Wünsche nach Speisen auf einen Zettel und warf ihn auf einer Station, auf der nicht gehalten wurde, dem staunenden Stationsvorsteher vor die Beine. Der drahtete alles nach Lemberg. Als der Zug da erschien, gabs Kalbfleisch, Eier, Semmelbrösel, Mehl, Salz, Kartoffeln und Fett. Der Koch wollte daraus eine persische Unmöglich keit zusammenbacken; der Schlafwagen kontrolleur besorgte ihm aber nur einen Sparherd und statt Petroleum einen übelriechenden Naphtha, falls er sich ehrenwörtlich verpflichtete, aus diesen Rohmaterialien ein Wiener Schnitzel her zurichten; der Koch hielt sein Ehrenwort, bereitete zu Ehren Österreichs auf per sisch-rituelle Weise ein Wiener Schnitzel, das nur einen Nachteil besaß: es roch nach Naphtha und — war alles, nur kein Schnitzel. Man legte es auf eine silberne Platte, gab es dem sehr stolzen, aufgebla senen Obereunuchen, der es der Majestät in die Kabine brachte und als „Speziali tät von Wien“ in alle Himmel hob! Frau Schah aß artig und sagte noch artiger, ,daß es sehr gut gemundet hätte, und daß sie gespannt wäre, eine Stadt zu bewundern, in der map derlei wunder same Dinge so gern genieße“. Sie ließ ihren Schlafwagenführer in ihre Kabine rufen, zwei Eunuchen ergrif fen seine Hände und hielten sie fest. 76