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durch Voll- und Schnurrbart seine Mas kierung. Kassierer Enar Winde stand wie der in der Gestalt da, in der die Menschen ihn zu sehen gewöhnt waren. „Nun ans Werk“, murmelte er. Er ging und klopfte beim Pförtner an. „Ich bleibe den ganzen Vormittag weg, bin aber sicher um vier Uhr wieder hier“, sagte er. „Sollte inzwischen jemand nach mir fragen, so bin ich beim Wettschwim men in der Badeanstalt zu erreichen.“ Nachdem er ein paar Schritte über die Straße getan hatte, schien ihm einzufallen, daß er etwas vergessen habe; er machte Kehrt und ging noch einmal in seine Wohnung zurück. Aber merkwürdiger weise betrat er das Ilaus nun durch die Hoftür. Als er den Hof und den Hinter aufgang passierte, war er der glattrasierte Mann von vorhin, und ebenso, als er auf dem gleichen Wege mit den beiden Reise taschen wieder zurückkam. Der Pförtner hatte ihn die beiden letz ten Male weder das Haus nochmals be treten, noch neuerlich verlassen gesehen. Enar Winde ging nach dem Bahnhof und gab dort bei der Gepäckaufbewah rung die beiden Taschen auf, nachdem ihm eine andere, am Tage zuvor von ihm hier abgegebene Tasche ausgeliefert wor den war. Dann kaufte er sich ein Billett erster Klasse nach Are und ging, die neue Tasche in der Hand, nach der Badeanstalt, wo er so schnell wie möglich in die erste freie Kabine schlüpfte. Als er nach einer Weile in Schwimm hosen herauskam, war er wieder der durch seinen roten Haar- und Bartschmuck auf fallende Enar Winde. Die Tasche mit ihrem Inhalt — einem vollständigen Herrenanzug von ganz anderer Farbe und Schnitt als ihn der hatte, in dem er ge 250 kommen war — hatte er in einem Ver schlag der Kabine gelassen. Er traf einige Freunde. Keiner be merkte irgendeine Veränderung an ihm. Man schwamm. Enar war ein tüch tiger Schwimmer und ließ die anderen sehr bald weit hinter sich. Plötzlich aber stieß er Hilferufe aus. Die Freunde sahen ihn die Arme ausstrecken und in die Tiefe versinken. Es gab einen schrecklichen Aufruhr. Enar Winde hat einen Schlaganfall er litten! Man rief um Hilfe, man tauchte, um den Ertrinkenden zu fassen. Ein Ret tungsboot wurde herbeigeholt. Von Kas sierer Winde aber keine Spur. Niemand beachtete indessen einen glatt rasierten, schwarzhaarigen Mann, der ein gutes Stück entfernt aus dem Wasser auf tauchte und nun mit aller Kraft dem Bade hause zuschwamm. Dort angekommen eilte er in die Kabine, in der Winde die Tasche mit den neuen Sachen zurück gelassen hatte. Schnell zog er sich an und stopfte des „ertrunkenen“ Kassierers Perücke und falschen Bart, die er sich während des Tauchens abgerissen und in den Schwimm hosen verborgen hatte, in die Tasche. Eine Weile später spazierte ein glatt rasierter, dunkelhaariger junger Mann vom Badehause nach dem Zentralbahnhof. Der große Coup war nun ausgeführt. Kassierer Winde, „der rote Enar“, wie er von seinen Freunden genannt wurde, war nachweislich vor den Augen etlicher Menschen ertrunken. Selbst wenn man seine Leiche nicht fand, war der Todes fall eine Tatsache, die auch nach der Ent deckung des Bankdiebstahls nicht geleug net oder bestritten werden konnte. Von diesem Augenblick an war er der Rentier Edgar Watz, der in Are nach