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tauchen, das weiße Linnen über das rauhe Holz rubbeln, während die graue, beizende Lauge über die wund und hart geriebenen Finger lief. Sie brannten wie Feuer. Manchmal konnte ich vor Schmerzen nicht schlafen. Dann zog ich sie unter der Decke heraus, legte sie sorgsam neben einander und dachte an Vaters. Die waren weiß, schlank, fein, mit blauen Linien, schmalen, blauen Adern unter weißer Haut. Mit denen hielt er am Sonntag auf der Kanzel der kleinen, grauen Kirche das dicke, schwere Buch, die sprangen, wäh rend er predigte und seine Stimme groß wurde und heftig wie nie daheim, plötz lich wie wilde Vögel in die Luft, drohten, beschworen, schrien, quälten sich und wurden rasch wieder weich und ganz mild und schlossen sich ineinander, verflochten sich zu einem stillen, schweigenden Ge bet. Dann hörte der Schmerz auf; leise zog ich die kleinen roten Hände wieder unter die Decke und schlief mit einem Lächeln ein. Im Traum sah ich sie wieder. Sie waren groß und bleich. Zusammengefaltet zu einem kühlen hohen Haus, spitzen Toten haus. Die blauen Adern ästelten an den wächsernen Wänden herauf, trieben kleine blaue Blüten, teilten sich und strömten wieder zusammen, dunkel strömendes Blut, und mitten darin begraben meine kleinen brennenden Hände, kleines, brennendes Herz. Bis das Kühle darüberstürzt, und nun ist alles gut. Mit fünfzehn Jahren ging ich zur ersten Kommunion. Ich saß gebeugt, mit zehn ändern Mädchen zusammen. Meine Stirne brannte. Wir saßen nebeneinander auf zwei Bänken in der kleinen dunklen Sa kristei, zehn helle Kleider zwischen dunk lem Holz. Vater stand vor uns, ging langsam auf und ab, las, erklärte, stellte Fragen, und wieder waren die schmalen weißen Flände da, wieder blickte ich auf meine, die nun groß waren, schlank wie seine, aber dunkler, kräftiger und härter. Plötz lich fiel mein Blick auf die Hände neben mir: seltsam spitz gekrümmte, wie der Greif eines Vogels. Ich sah an den Ar men hinauf ins Gesicht: es stimmte. Lisa hatte schwarzes, struppiges Haar, stechen den Blick, den Kopf schief und stets wie lauernd auf dem dürren Hals. Man sagte, sie log, auch wenn es gar nicht nötig. Ihre Mutter war einmal wegen Diebstahls angeklagt, der Vater ein Trinker. Seltsam! Nun sah ich den Tisch hinab, die Reihe der Hände herunter: zarte kleine Kinder hände, Hände, die sich zag versteckten wie kleine rosige Knospen, Hände voll Neu gier, voll Kraft, voll Sucht und Sehn sucht. Und Hände voll Schmerzen, kleine kranke, heiße Hände, Katjas breite flei schige, ganz rund und vergnügt, und ganz hinten als letzte Sophies, in einer zucken den Unruhe, wie verzehrt von Fieber, und doch seltsam reif, in einem fiebernden Glück: das war ja eine Frau, das war —. Die Augen waren mir plötzlich geöffnet, blendendes Licht drang herein, fast schmerzhaft, ich hatte eine Entdeckung gemacht und ließ sie nun nicht mehr los. Es war an einem hellen Maitag. Auf den weiß gescheuerten Dielen spielten weiße und goldne Sonnenflocken. Die Luft ist weich, reingebrannt vom Win ter. Kleine runde Wolke<n kugeln sich langsam und glücklich ü.ber den seiden blauen Himmel. Die S/tube riecht nach