ucnui ixmur i cn Geheimschriften und ihre Entzifferung VON LOTHAR PHILIPP I m März vorigen Jahres verlor ein sehr elegant gekleideter junger Mann ein Notizbuch, das der Finder ord nungsgemäß zur Fundstelle ins Polizei präsidium brachte. Die dortigen Beamten sahen mit Erstaunen, daß das Notiz buch mit einer ihnen unbekannten Ge heimschrift ausgefüllt war. Sie über gaben es deshalb dem Berliner Er kennungsdienst. Es dauerte hier auch nicht lange, so hatte man die Geheimschrift entziffert und erkannt, daß das Dokument i das Tagebuch eines vielgesuchten Betrügers und Schwindlers war, der darin seine sämt lichen Schandtaten mit geradezu peinlicher Sorgfalt aufgezeichnet hatte. Man konnte danach die Spur des Verbrechers auf- mehmen, der mit naiver Ahnungslosigkeit in die Falle ging und höchst erstaunt war, als man ihm den Inhalt seiner „Memoiren“ vorhielt. Er hatte sich dabei der klassi schen Chiffriermethode von Julius Caesar bedient und war fest davon überzeugt, daß sie niemand dechiffrieren könnte. Diese Methode von Julius Caesar kann durchaus keinen Anspruch darauf erheben, die älteste zu sein. Wir können getrost annehmen, daß die Geheimschreibekunst ebenso alt ist wie die Kunst des Schreibens selber, ja vielleicht in manchen Fällen noch älter. So existierte in der deutschen Urzeit eine Stabrunengeheimschrift, wel che jedenfalls nur zum Verkehr unter Ein geweihten, wahrscheinlich Priestern und Ältesten der Stämme, diente. Auch der alte Schäker Ovid schildert uns in seiner „Liebeskunst“ eine chemi sche Geheimschrift. Daß sein Bezept bald sehr verbreitet war, ist zweifel los, denn die „Liebeskunst“ wurde schon deshalb so viel gelesen, weil sie ver boten war. Und wenn die schwarzlockige Julia die Langeweile ihrer Vernunftsehe mit irgendeinem glatzköpfigen Senator etwas unterbrechen wollte, so sandte sie ihrem Freunde, der vielleicht eine Lebens stellung als Gladiator am Circus Maximus hatte, eine ihrer häßlichsten Sklavinnen. Und das Bezept hieß dann nach Ovid: „Fürchtet ihr aber, man könne die Sklavin betasten, Malt auf den Rücken ihr die süßen Worte mit Milch. Stäubt Er dann Kohle auf die be schriebene Schulter, Sieht er die Schrift und liest das wohlbewahrte Geheimnis. Liebe ist findig.“ Natürlich wurde schon in damaligen Zeiten die Geheimschrift nicht nur in den Dienst der Minne gestellt, sondern auch 106