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Gezireh war zugleich mein Schwur, keinen mehr zu kennen als ihn. Ich schwor es ihm: blind und ganz selig! Von der Stunde ab hütete Abd el Latif meine Blicke in Kairos Gassen mit heißer Angst; sprühte Zorn, wenn ein Gruß mir nahe kam — denn „vorher" hatte ich ja ein frohes, freies Leben im Strom der inter nationalen Gesellschaft Kairos geführt, hatte tausend Bekannte unter tempera mentvollen, liebenswürdigen, reizenden Männern gefunden, war bekannt, ja, beliebt gewesen als „Type du Gretchen au corps magnifique“ — das aber wurde mir zum Verhängnis — am liebsten hätte Abd el Latif mich bereits ganz eingeschlossen, und seine einzige Konzession an mein Europäer- tum war, daß er seinen englischen, schwerer noch, seinen ägyptischen Regi mentskameraden mich als „his wife" vor stellen mußte, wobei er mich aber sofort hinter sich schob und das Gespräch ener gisch von meiner Person ablenkte. Nach unserer Verlobung kam sein Geständnis, daß er schon eine Frau nebst Töchterchen habe; ich ergab mich der Tatsache, wollte und brauchte jene ja nicht zu kennen! Ich wußte mich Lieblings frau! Dieser bezaubernde Araber hatte die brennende Zärtlichkeit, die sanft innige Verliebtheit, die der erotisch verrohte und geschwächte Europäer nicht mehr kennt. Erotik ist eine gaya scienza (fröhliche Wissenschaft) im Orient! In unserem ersten Quartier, in einer schattigen Kairener Pen sion, lebte ich den ägyptischen Liebes- frühling. Im darauffolgenden Sommer reiste ich nur nach Deutschland, um meine völlige Übersiedlung nach Ägypten einzuleiten. Er ließ mich gehen in tausend Ängsten, daß ich nicht wiederkäme. Er wußte nicht, wie gänzlich ich ihm verfallen war! Im September betrat ich wieder Ägyptens Boden, und wir suchten ein kleines Heim, um im Oktober die Ehe schließen zu kön nen. Wohnung in Kairo: hier galten nur noch seine Intentionen. Abd el Latif suchte für mich nichts anderes als den sicheren, blickgeschützten Harem! Keine Euro päerfenster gegenüber, kein von Männern begangener Hof, bitte!! Verwilderte Gär ten, verwunschene Gemächer taten sich auf, Brunnen, Bäder und alle zermürbte Romantik und Schwermut des Orients. Eine halb englische, halb arabische Woh nung im Vorort Schoubra wurde gewählt, dann der nötige Möbelkauf erledigt — Schlafzimmer, bitte! Ein kluger Kadi, schöner, milder Greis im grünen Atlas kaftan, vermählte uns nach islamitischem Ritus. Gelehrig sprach ich arabische For meln nach, unterschrieb den arabischen Ehevertrag, und zum Schluß bot uns der fröhliche Kadi (statt frommer Floskeln) arabischen Kaffee und jovialen Handschlag — „we aleikum es salam“ — „und Glück mit euch!“ Mit dem neuen Heim, das nichts als „Harem“ war, schloß sich die dornige Rosenhecke des Orients noch fester um mich; ich war geliebte Gefangene meines Mannes, der mich fortan mit unerhörter, selbstquälerischer, immer wacher Eifersucht umgab, alle meine Sachen durchstöberte, Photographien und alte Briefe blindwütend zerriß, jeden mei ner Blicke kontrollierte! Kaum jemals ging ich allein. Abd el Latif gab sogar sein Amt im Ministerium auf, um stets bei mir sein zu können —! In eifersüchtiger Wut war er gleich nimmermüde wie in Liebesleidenschaft . . . Unsere rasch einander folgenden Dienst boten, braune, schwarze, olivfarbige Kreaturen, stets anders, stets wunderlich, einige furchtbar — alle doch irgendwie in teressant — waren Opfer seines Argwohns, desgleichen die Postboten, Handwerker, Gemüsehändler, die ihre Augen zu mir zu erheben wagten — Unglückselige!! Jedem Gang in einen Laden folgten Eifersuchts anfälle! — Wie aber sollte ich los von dem Herrlichen, Geliebten? Los von seiner spielerischen Tierhaftigkeit, seinem reizen den Humor und lebendigen Geist, seinen bebenden Schwermutsliedern am Abend? Im Besuch bei seinen in patriarchalisch großzügiger Schlichtheit lebenden arabi schen Verwandten, die mich mit blumen reicher Herzlichkeit empfingen, schien mir Europa, die ganze moderne Welt völlig zu versinken. •— Dann erkrankte ich. Er pflegte mich wirklich hingebend, aber er führte dann doch seine erste Frau als „Wirtschafterin“ herbei — eine zarte,