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sah ich in Gedanken sogleich das Bild einer Frau mit herrlich weißen Zähnen und wählte ihre Zahnpaste, obgleich es gewiß Besseres gab. So prangen reizende Mäd chenköpfe, um für eine Zigarette zu werben, schöne Männer für Rasierklingen, Badegirls für ein Strandbad. Dieser flüchtige Blick hinter die Kulissen der Reklamekunst zeigt bereits, wie stark die Oberfläche unseres Daseins von Sugge stionen geleitet wird, ohne daß wir uns dessen bewußt werden. Aber trotzdem ist nicht alles Suggestion! Nur in einem be stimmten Bezirk unseres Erlebens übt sie ihre Herrschaft aus, sind wir ihr zugänglich. Wenn man jemanden gähnen sieht und alsdann auch gähnen muß, so ist das noch nicht Suggestion, sondern Nachahmungs trieb. Wenn man sich während einer Unter haltung von dem anderen überzeugen läßt, so beruht das nicht mehr auf Sugge stion, sondern ist die Folge einer bewußten Überlegung. Suggestionen haben also nichts mit dem Triebhaften noch Geistigen zu tun, sie wenden sich ausschließlich an unser Seelenleben und un sere Vorstellungs kraft! Verbinden Sie ein mal zwei Stühle mit einem Brett. Es ist nicht gefährlich, über diese Brücke zu schreiten. Läge aber dieses gleiche Brett zwischen zwei Häu sern, hoch über der Straße — würden Sie ebenso ruhig darüber gehen!? Und warum nicht!? — Weil Sie von einer Suggestion befangen sind, von der Vorstellung der Tiefe, ja, des mögli chen Absturzes. Die ser unbewußte Vor gang macht Sie ängst lich und nervös, denn — so lautet das psy chologische Gesetz— ,,j e d e Idee be sitzt eine ver wirklichende K r a f t!‘‘ Es handelt sich also, weil der entscheidende Vor gang in uns selbst stattfindet, mehr um eine Autosuggestion Wenn wir uns abends vor dem Einschla fen den Befehl geben, am nächsten Morgen um sechs Uhr aufzuwachen, so arbeitet die ser Wunsch wie ein verborgener Mechanis mus unter den Hüllen von Schlaf und Traum weiter, um pünktlich wie ein Wecker zu gehorchen. So berichten auch Mathe matiker, daß die Lösung eines Problems, mit dem sie sich am Abend vergeblich quälten, am Morgen plötzlich vor ihnen lag. Das Beispiel einer merkwürdigen Sugge stion erzählte mir ein Freund; Als er auf einem längeren Spaziergang nach der Uhr sah, zeigte diese ein Uhr mittags. Er verspürte plötzlich ein deut liches Hungergefühl und wollte sogleich essen gehen. Doch bald entdeckte er, daß seine Uhr nicht richtig ging. Die Normal uhr zeigte erst zwölf, und sein Hunger gefühl war wieder verschwunden. Suggestionen, Wünsche und Vorstellun gen arbeiten mit einer seltsamen Energie an ihrer Verwirklichung. Glück und Unglück sind im weitesten Maße von diesem ge heimnisvollen Me chanismus abhängig, und mancher, der im Leben Erfolg hatte, \ erdankt sein Vor wärtskommen jener Autosuggestion: Ich werde es erreichen! Als man Newton fragte, wie er zu sei nen Entdeckungen gekommen sei, ant wortete er: „Indem ich immer daran dachte.“ Wie der Abdruck eines Siegels haften diese Vorstellungen und Wünsche unter der Schwelle unseres Bewußtseins. Siemah- nen uns an nicht ge haltene Versprechen, an vergessene Ab sichten, sie klopfen an mit dem unbehag lichen Gefühl eines schlechtenGewissens rn.ni! 798