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Sie werden angerufen, merken nach den ersten Worten: es ist eine Fehlver bindung. Was tun Sie? Sie hängen ab. Das ist nicht immer richtig! Warum? Sie könnten Ihre große Chance verpassen! Die PROBE FAHRT Eine Novelle von CURT KRISPIEN A ls das Telephon klingelte, beeilte sich. Korner keineswegs, zum Apparat zu gehen. Es wird die Firma Wasmuth sein, wegen der dritten Rate für die Schreib maschine, dachte er, oder Bormann, der die fünfzig Mark zurückhaben will. Und ich kann ihnen ja doch nichts geben. Seufzend griff er zum Hörer, aber eine fremde Frauenstimme, dunkel, weich und überaus sympathisch, klang ihm ins Ohr: „Ich habe heute morgen Ihre Anzeige in der Zeitung gelesen. Sie suchen doch einen wenig gefahrenen Roadster mit zwölf bis vierzehn Steuer-PS?“ „Wie, bitte — ?“ fragte Korner verwundert. „Sie irren sich wohl! Das muß eine Ver wechslung sein. Welche Nummer wollen Sie denn?“ „Haben Sie nicht Stephan 9936?“ „Allerdings, aber . . . “ „Also bitte, wenn Sie noch nicht gekauft haben, dann müssen Sie meinen Wagen un bedingt sehen!“ „Haha“, lachte Korner ungemein erheitert, „ach, du lieber Gott! Ich und ein Auto kaufen! Ich wünschte, ich könnte meine Zimmermiete bezahlen. Und ein paar neue Anzüge brauche ich auch.“ „Aber was sind denn das für Scherze!“ Die fremde Stimme klang gekränkt. „Mit mir können Sie so was nicht machen! Es ist ja möglich, daß Sie schon einen Wagen an der Hand haben und mich abschrecken wollen, aber kaufen Sie auf keinen Fall, bevor Sie meinen Roadster gesehen haben! Hören Sie? Er ist fast neu. Sie können einen Fachmann mitbringen, wenn Sie selbst nicht genug vom Motor verstehen. Er hat noch keine 8000 Kilo meter hinter sich.“ Korner lachte nicht mehr. „Gnädige Frau, wenn Sie doch einsehen wollten: es ist ein Irrtum! Hier spricht Doktor Thomas Korner, ein stellungsloser Chemiker, der . . . “ „Fangen Sie schon wieder an! Reden Sie doch vernünftig! Was riskieren Sie denn? Ich lade Sie ein zu einer Probefahrt. Kostenlos und unverbindlich. Das Wetter ist herrlich. Wir fahren ein bißchen raus, nach Schildhorn vielleicht. Sagen Sie mir nur, wo ich Sie ab holen kann.“ Noch einmal versuchte Korner zu erklären, daß er gar nicht in der Lage sei, ein Auto zu bezahlen — es gelang ihm nicht, zu Worte zu kommen. „Ich will nichts mehr von Ihren Märchen hören. Es ist abgemacht, daß ich komme. Um drei Uhr am Zoo! Gut? Versprechen Sie mir nur, daß Sie inzwischen keinen andren Wagen kaufen werden!“ Dies Versprechen fiel Korner nicht schwer, aber er hatte noch etwas einzuwenden: „Wie soll ich Sie denn erkennen? Ich weiß ja gar nicht, wie Sie aussehen. Mit wem spreche ich überhaupt?“ „Eva Ferber heiße ich. Aber das ist nicht so wichtig. Sie werden mich an meinem Wagen erkennen. Er ist beige mit einem dunkelblauen Streifen. Gefällt Ihnen die Farbe?“ „Ausgezeichnet!“ „Also, dann bitte ich Sie nur noch, pünktlich zu sein!“ Korner hing den Hörer an. Es klingelte allerdings gleich wieder, und es kamen nach und nach vierzehn Anrufe von Leuten, die ihm vorzügliche Autos zu erstaunlich günstigen Preisen anboten. Es war also erwiesen, einem Setzer war 409