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DIE WEISSE DAME Das Berliner Schloß, mit seinen Re* präsentationsräumen seit Jahren im Dornröschenschlaf eines Museums ver* sunken, erstrahlt neuerdings wieder öfter im Glanz großer Feste. Zuletzt sah es einen internationalen Kongreß in seinen Räumen, dessen angelsächsi* sehe Teilnehmer sich bezeichnender* weise für die Frage interessierten, ob es noch immer im Schlosse spuke und die weiße Dame ihr Wesen treibe. Die berühmte „Weiße Dame“ hat sich je* doch seit dem Jahre 1709 nicht mehr gezeigt. Damals hatte man beim Schloßbau ein weißes Skelett gefunden, und man hatte in ihm die weiße Dame wieder* erkennen wollen. Auf dem Domfried* hof wurde sie begraben. Als sich das Gespenst trotzdem unter Friedrich Wil* heim I. noch zweimal blicken ließ, wurde es kurzerhand verhaftet, einmal als Küchenjunge, das andere Mal als Soldat in weißem Laken. Beidemal wurde es kräftig verhauen und öffent* lieh zur Schau gestellt. So befahl es der Soldatenkönig. Nicht jeder Fdohenzoller hatte eine so glückliche Hand im Um* gang mit Gespenstern. Unter dem Großen Kurfürsten, der fest an die weiße Dame glaubte, zeigte sie sich im Jahre iöji ungewöhnlich oft. Herr von Burgsdorf, einer der Hof* herren des Kurfürsten, ein beherzter Mann, wollte dem Spuk ein Ende be* reiten. Eines Abends traf er die weiße Dame denn auch auf einer kleinen Treppe, die in den Garten führte. Mutig rief er sie an: „Du alte sakra* mentische Hure, du hast noch nicht genug Fürstenblut gesoffen, willst du noch mehr haben?“ Doch die weiße Dame war solche Sprache gewohnt, fest griff sie zu, faßte ihn beim Kragen und warf ihn die Treppe hinunter. In den Rippen des Herrn von Burgsdorf krachte etwas, aber sonst kam er ohne äußere Verletzungen unten an. Der Kurfürst, der das Poltern gehört hatte, schickte einen Pagen hinunter, durch den er die traurige Geschichte erfuhr. Er hat sie oft wiedererzählt. Denn ein Jahr danach starb Herr von Burgsdorf. Wer die „weiße Dame“ sah, mußte sterben. Es war eine Rachegöttin des Hohenzollernhauses, Anna Sydow, einstige Geliebte des Kurfürsten Jo* achims II., die sein Sohn Johann Georg entgegen einemVersprechen in Spandau hinter Schloß und Riegel setzen ließ. Nach ihrem Tode nahm die schöne Unglückliche Rache. Sie ging um und zeigte sich, den Frankfurter Relationen zufolge, „als Spektrum oder Gespenst, so sich vor Absterben jemandes aus dem Kurhaus Brandenburg allezeit sehen lässet und jedesmal gewiß einen Toten von bedachtem Hause ankündiget". Nun ist sie lange endgültig tot. Kurze Rechnung. Der alte Held Blücher war bekanntlich der Feder nicht sonderlich gewachsen. Eines Tages wurde er von oben herab aufgefordert, die Verwendung von 100000 Talern näher zu begründen. Sein Bericht O lautete ziemlich kurz: „Einnahme 100000 Thaler, Ausgabe 100000 Tha* ler. Wer dies nicht glaubt, ist ein Schurke, damit Punktum.“ Zu dieser Nummer: Die drei Photos von Paul Morand entstammen dem Buch ,,Paris de nuit", das in der Edition Arts et Metiers, Paris, erschienen ist. 588