Jack v. Reppert* Bismarck DIE TÄTOWIERUNG Von SALVADOR RETES D en Namen der Frau, die ich so oft besucht habe, kann ich nicht mehr sagen. Nennen wir sie einfach „Die Freundin" oder „Die Frau am Meer". Sie liegt auf einer breiten Ottomane und raucht. Sonne und Wind hüllen sie in einen leichten, wehenden Mantel. In einem geschlossenen Raum ohne Bewegung würde sie wie eine Blume in fremdem Boden vergehen. Schweigend trete ich ein, nehme in ihrer Nähe Platz und lasse den Tabak in meiner Pfeife aufknistern. Selten treffe ich sie allein. Meist sind vor mir ein paar Freunde gekommen. Einige sind Seeleute mit breiten Tressen an den Ärmeln; andere, zum Beispiel ich, tragen vernachlässigte Anzüge; noch andere haben harte Hände von werweißwas für schwerer Arbeit. Sie unterhalten sich. „Doktor Marin schreibt mir aus Weymouth. Das LfBoot, auf dem er Dienst tut, macht eine Fahrt nach den englischen und französischen Häfen." „Der alte Signoud hat zum ersten Male seinen Heimatort verlassen. Wissen Sie, wohin er gefahren ist? Nach Hongkong!" „Wo steckt denn Juan Guzman?" „In Honolulu." „Hat man was von Stanford gehört?" „Nein. Man weiß nur, daß er aus Rußland fliehen mußte." So halten Städte und Länder alle Tage am Hause der Freundin in ihrem Fluge inne. Alle Gäste kommen von weit her und gehen weit weg. Sie kennen sich kaum, alle sind durch die Freundin miteinander verbunden. Ich habe ihre Gesichter auftauchen und verschwinden sehen; ihre Namen habe ich nie behalten. Keiner will wissen, was der andere zu verbergen sucht. Um zur Gesellschaft der Freundin zu gehören, braucht man nur aus der Ferne zu kommen oder eine schöne Ge< schichte erlebt zu haben. Frauen kommen nicht sehr häufig. Ich erinnere mich an eine hochgewachsene junge Frau mit blondgefärbtem Haar, feinpolierten Nägeln und stark sinnlichen, vollen Lippen. Sie erschien eines Abends und brachte das letzte Tageslicht von draußen mit. 571