Maler: „Von Literatur verstelle ich nichts. Doch das Parthenon mit koloriertem Gesimse — brrr . . .!” (Ab.) Eine Fliege. Sie kommt von den Giorgiones geflogen und setzt sich der Venus auf die Nase. Jetzt kriecht sie über die Wange zum Mundwinkel hinüber. Plötz» lieh bekommt das Götterantlitz eine Mouche und sie genügt, den Körper seiner Nacktheit zu entkleiden. Er wird gepudert, galant, unanständig. Die Fliege (mit dem Rüssel eifrig tupfend): ,,— Ich scheine mich getäuscht zu haben. Dieser weiße Mensch ist noch nicht einmal aus Stearin. Völlig fettlos. Gut wenigstens, daß er nicht kitzlig scheint. Doch was tue ich da — gestern ge» boren, muß ich morgen sterben — ich habe noch zu heiraten, noch zu dinieren — und gebe mich statt dessen mit Marmor ab . . . lächerlich. Seltsam, wie hier alle Leute stehenbleiben und mich bewundern — man könnte wirklich eitel werden. Halt! ich wittere ganze Berge von Käse hinter der Portiere. Muß doch mal nach» sehen . . (Ab.) Der Museumsdiener. Er würdigt die Venus keines Blickes, sondern steuert durch den Raum auf sein Butterbrot zu, das hinter der Portiere verborgen liegt. Museumsdiener (im Vorbeigehen murmelnd): ,,. . . olle Dicke . . .“ (Ab.) Ein Dichter. Er schlendert zerstreut durch den Raum, bleibt stehen und er» blickt sie plötzlich. Der Dichter: ,,— ■— Göttin! Also das ist es, was uns zur Welt bringt . . ., welch ein schim» merndes Gartenbeet. Mit ab» gebrochenen Armen steht sie da, wehrlos wie alle Schönheit — nichts mächtiger als diese mar» morne Ohnmacht! Aus ihren Hüften steigt sie empor, ein küh» ler Stein, und doch ist nichts so köstlich Fleisch wie diese Schul» tern dicht an den Bruchstellen . . . Aphrodite, Kind des Überflusses und der Armut, des Wassers, auf dem man verdurstet, weißer Mee» resschaum! Fortpflanzung der Sinn der Liebe? — wie öde . . .; ihr Sinnbild! — wie tief. . . Man müßte vor jedem Weib der um» gekehrte Pygmalion sein: erst wenn die Pulse zu Marmor er» starren, kann ich vor ihr auf die Knie stürzen! Wenn ich jetzt auf 554 /n Bf ALLE Der ordentliche Herbst Ernst Penzoldt