Berliner Straße Maris Sauerbruch SOKRATES UND DER COCKTAIL Von CHRISTIAN BOCK (Gelbbeleuchtete Bar eines größeren Restaurants) S OKRATES. Trefflich, Gorgias, hast du gesprochen. Nun antworte mir, was für eine Kunst ist es wohl, welche der Mann hier betreibt, indem er an der Bar Cocktails mixt? GORGIAS. Eine Kunst, scheint mir, durch welche er anderen eine Lust be< reitet. SOKRATES. Du meinst, Gorgias, die Lust, welche das Trinken der Cocktails denen vermittelt, die sie trinken. GORGIAS Ganz recht, Sokrates. SOKRATES. Nun denn! Hattest du mir nicht zugegeben, daß, wo Lust ist, auch vorher Unlust sein müsse, indem nämlich einer, der seinen Durst stillt, vorher ein Unlusthabender war und dadurch erst fähig wird, eine Lust, nämlich die des Durststillens, zu empfinden? GORGIAS. Gewiß. SOKRATES. So sage mir also jetzt, welche Unlust es ist, die der Cocktail* trinkende hat, ehe er trinkt. GORGIAS. Offenbar leidet er Durst. SOKRATES. So sind wir uns nun einig, Gorgias. Wer Cocktails trinkt, leidet Durst oder, wer Durst leidet, trinkt Cocktails. Nicht wahr, so ist es? GORGIAS. Gewiß.