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Stunde, hundert Punkte in einer beinahe ebenso kurzen Zeit zu machen wie auf festem Boden. Gewissens jrage März 1928. Jeder weiß, daß in den angelsächsischen Staaten die Sonntagsruhe streng eingehalten wird. Es gibt sogar einzelne Staaten in U.S.A., wo selbst den Tieren jegliche Arbeit oder Anstrengung am Tage des Herrn verboten ist. Der Kirchenrat von Harrodsburgh in Ken tucky war kürzlich in arger Verlegenheit. Die Hühner in jenem Lande scheinen darauf versessen zu sein, täglich zu legen, selbst am Sonntag. Dürfte man, ohne eine Sünde zu begehen, ein Ei essen, welches im Widerspruch zu den göttlichen Gesetzen entstanden ist? Die Antwort lautete einstimmig: „Nein.“ Aber was sollte mit den gotteslästerlichen Eiern geschehen? Zwei, drei der eifrigsten Glau bensbrüder waren dafür, sie zu vernich ten. Aber Kentucky ist ein Bauernland, und diese ungeheure Omelette war nicht nach dem Sinne der Leute. Nach langer Debatte wurde ein Kompromiß mit dem Himmel geschlossen. Die Sonntagseier sollten verkauft und ihr Erlös für wohl tätige Zwecke verwendet werden. Auf diese Weise sind alle Teile zufrieden gestellt: die Hühner, welche auch weiter legen können, wann sie Lust haben, die Gläubigen, die auch am Sonntag gelegte Eier essen dürfen, und schließlich auch die Kirche, die dabei sehr auf ihre Rech nung kommt. Er bezahlte dreißig Dollars, um ermordet zu werden New York, 9. Jänner 1912. Am 19. De zember vergangenen Jahres wurde in Berwidk (Pennsylvania) die Leiche eines gewissen Leichtenfeld entdeckt, und die Untersuchung ergab, daß der Betreffende dem im übrigen unauffindbaren Manne, der ihn ermordete, 30 Dollar bezahlt hatte. Leichtenfeld, der einiges Vermögen besaß, war trotzdem lebensmüde und ent schlossen zu sterben; aber er hatte reli giöse Skrupel und Angst vor der Hölle. Wie ließen sich diese Befürchtungen und sein Wunsch, das Leben zu verlassen, in Einklang zu bringen? Leichtenfeld, der ein feiner Kasuistiker war, kam auf den Gedanken, daß, wenn ein anderer die entscheidende Handlung übernähme, von einem Selbstmord, also von Sünde keine Rede sein könne. Er machte sich auf die Suche nach dem Manne, der gewillt wäre, ihn für 30 Dollar vom Leben zum Tode zu befördern, und hatte ihn bald gefun den. Worauf er einen Revolver und Munition kaufte und eines Abends nach langem Aufenthalt in einer Bar mit dem Manne in der Nacht verschwand. Am nächsten Tag wurde Leichtenfeld tot und von Kugeln durchsiebt aufgefunden. Der Unbekannte hatte seine Mission auf das Gewissenhafteste erfüllt. Ein amerikanischer Bandit wird bei Jazz band hingerichtet New York, 15. Dezember 1928. Der Bandit Moran, 22 Jahre alt, und wegen Ermordung zweier Polizisten zum Tode verurteilt, wurde im Gefängnis von Sing- Sing hingerichtet, während aus der Ferne eine Jazzband das Lied „I want to be happy“ spielte. Vor der Hinrichtung aß der Verurteilte ein Riesenbeefsteak mit Pommes frites, grünen Erbsen und ein Vanille-Eis. Dazu rauchte er zehn Zigar ren. Er hatte gebeten, die Hinrichtung bis zu dem großen Fest zu verschieben, bei welchem auch 1200 Freunde und Ver wandte der Pensionäre von Sing-Sing an wesend waren und das dazu dient, die Mittel für die Weihnachtsbescherung auf zubringen. W issenschaß und Polizei 1930. Die Polizei von Chicago verfügt seit kurzem über einen vom Universitäts professor M. Vollmer erfundenen Appa rat, welcher es ermöglicht, die Lügen in den Aussagen der Angeklagten festzu stellen. Es soll ein einfacher Detektor sein, verbunden mit einer Füllfeder, welche, solange der Angeklagte die Wahr heit spricht, eine gerade Linie zieht, wäh rend im gegenteiligen Falle der veränderte Blutdrude beim Lügen eine Zickzack- line auslöst. Die Bettelei ist in New York kein schlechtes Geschäft 15. Dezember 1930. Nach offiziellen Statistiken soll es nicht weniger als 2000 Bettler geben, deren „Arbeit“ jährlich an zehn Millionen Dollar einbringt. In den belebtesten Vierteln ist eine Streife unternommen worden, um die Bettler festzunehmen. Man fand fast in der Tasche eines jeden 150 bis 200 Dollars, die Frucht der Arbeit eines Tages. Es gibt Bettler, die sehr angenehm leben und sich Dienstboten halten: manche haben sogar ein Auto zur Verfügung. Die New- Yorker Professionsbettler, meist Krüppel, Gelähmte und Blinde, kommen in Klubs zusammen, wo die Prohibition nicht hin eindarf. Komischerweise kommen sie meist im „Arbeitsdreß“ in diese Vergnü gungslokale, und es fehlen weder Binden noch Krücken. 430