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Der Held Von Max Scheler „Held“ ist jener ideale menschliche, halb göttliche (Heros der Griechen) oder göttliche Persontypus (Macht-Willensgott z. B. der Mohammedaner, Galvinisten), der mit dem Zentrum seines Seins bezogen ist auf das Edle und die Realisierung des Edlen, also auf „reine“, nicht technische Lebenswerte, und dessen Grund tugend natürlicher Adel des Leibes und der Seele und entsprechender Edelsinn ist. Schon nicht mehr dürfen Menschen „Helden“ heißen, die — wie bedeutend immer — nur auf die Wohlfahrt ihrer selbst und der Gruppen bezogen sind, denen sie angehören. Wir wollen sie ,,Wohlbringer“ nennen, z. B. Ärzte größten Stils, Wirtschaftsführer und Techniker gegenüber Staatsmann, Heerführer, Kolonisator. Auch der Held muß wie der Genius eine übernormal seltene Exuberanz einer spezifisch geistigen Funktion besitzen. Aber diese ist nicht die Kraft des Sich- öffnens der Seele wie im religiösen Menschen, nicht wie im Genius Überfluß des geistigen Denkens und Schauens gegenüber aller bloßen Verwertung für Lebens bedürfnisse, sondern Überfluß des ,,geistigen Willens“, seiner Konzentration, Stete, Sicherheit gegenüber dem Triebleben. Der Held ist Wülensmensch, und das heißt zugleich Machtmensch. Eine heldenhafte Seele kann dabei in einem beliebig schwächlichen Körper hausen; niemals aber kann sie verbunden sein mit einer schwachen Vitalität. Stärke, Heftigkeit, Kraft, Fülle und innere, schon auto matische Ordnung des vitalen Trieblebens gehört also zum Wesen des Helden ganz anders als beim Genius. Aber nicht minder gehört zum Helden, daß er dies Triebleben kraft seines geistigen Willens zu konzentrieren, zu beherrschen, auf lange Ziele mit einem Minimum von Ablenkbarkeit stetig hinzuspannen vermöge. Das aber ist es, was wir „Charaktergröße“ nennen. Das Maß der Spannung bei gleich zeitig eben noch möglicher Harmonie zwischen Trieb und geistigem Willen, der Heftigkeit und der Fülle nach, macht den Rang des Helden aus. Wird die Har monie geschädigt, so entsteht bei sehr großer Spannung der dualistische Helden typus, der spezifisch germanische (Siegfried, Luther, Bismarck). Ist die Fülle der Triebimpulse zu klein, so entsteht der überaktivistische, aggressive „Fanatiker“ (Herzog von Alba). Ist die Fülle des Trieblebens im Verhältnis zum geistigen Willen zu schwach, so entsteht der einseitig asketische und tragizistische Helden typus, der spezifisch slawische Held, der Held bloßen Leidenkönnens, Duldens, Ertragens, der passive, nur defensive Heldentypus (Kutusow — Napoleon; „wider stehe nicht dem Übel“). Unter den Tugenden, die spezifisch heldisch heißen, steht an der Spitze als Grundtugend die „Selbstbeherrschung“. Denn nur der erwirbt Macht auch über andere, der maximale Macht hat über sich selbst; nur der vermag Macht über Menschen — denn der Mensch ist des Menschen höchstes Machtobjekt — auszuüben, der die Herrschaft hat über sich selbst. Ist hier von „Macht“ die Rede, so sei dabei zunächst der Unterschied von Macht und Gewalt klargestellt: Gott ist allmächtig, aber völlig gewaltlos. Ferner: Macht ist an sich gut gegenüber Ohnmacht, nicht „böse an sich“ (siehe Tolstois Tagebuch, Jakob Burckhardt, Romantik, Schopenhauer). Machtscheu stammt aus Ressentiment. Macht ist ein höherer Wert als das Nützliche und Angenehme. Sie ist ein positiver Wert — aber niedriger als die spezifisch geistigen Werte, welche die berechtigte Anwendung der Macht zu verwirklichen hat. Vor allem ist Macht untergeordnet dem Guten. Aber an sich ist auch die Macht zum Bösen noch „gut“, nur ihre Anwendung