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Die große Konjunktur der Wünschelrute Von Dr. med. K. R. v. Roques V or wenigen Jahren tauchte die Sache auf. 1927 brachten'zwei Wünschelruten gänger, Hedwig Th. Winker und Melker, in einer der angesehensten ärztlichen Wochenschriften die Mitteilung über das merkwürdige und häufige Zusammen treffen von unterirdischen Wasserläufen und bestimmten Krankheiten. Genannt wurden Geschwülste, gutartige wie Polypen, und bösartige wie der Krebs. Nicht nur bei Menschen, deren Bett (oder Arbeitsstätte) über den Wasseradern stand. Es hieß ausdrücklich, auch Bäume seien betroffen. Sie kränkelten, würden krebs krank oder gingen ein. Zur Erklärung wurde angeführt, daß dieselben geo physikalischen Faktoren, vermutlich wohl „Strahlen“ irgendwelcher Art, die auf den „überempfindlichen“ Wünschelrutengänger so stark einwirken, daß die Rute ausschlägt — daß diese Strahlen auf jedes Lebewesen, Mensch, Tier, Pflanze, einen „chronischen“ Reiz ausüben. Der Erfolg sei die Krankheit. Ihre Anschauung der Dinge gewann an Wahrscheinlichkeit dadurch, daß sie auf ältere deutsche Arbeiten hinweisen konnten, die das streng regionale Auftreten des Krebses bereits konstatiert hatten. (Heute spricht man direkt von „Krebs häusern“.) Damit war das Kind geboren, das jetzt so laut schreit. Seitdem wurde viel sachlich Neues nicht mehr entdeckt. Theoretisch wichtig und interessant wurden in diesem Zusammenhang die Arbeiten des Pariser Forschers Lakhovsky über „kosmische“ Strahlen. Er nimmt an und weist nach, daß die gesamte lebendige Welt aus Strahlen entstehe, von Strahlen lebe und an Strahlen vergehe. An einem Übermaß nämlich. Bekannt wurden seine krebsinfizierten Geranien, die eingingen bis auf ein Exemplar, an dem Lakhovsky die kosmischen Strahlen durch einen Metall-„Schwingungs- kreis“ abfiltrierte. Leider scheint das Experiment schwer reproduzierbar zu sein. Ich kenne bisher nur die Fotos einer einzigen Geranienserie, derselben, die durch das Buch Das Geheimnis des Lebens und durch Zeitschriften den Namen des Forschers in allen Ländern verbreitete. Neue hat Lakhovsky nicht, und auch die alten sind — infolge der großen Nachfrage (wie mir Lakhovsky schreibt) —• etwas knapp geworden. Jedenfalls kommt Lakhovsky auf Grund seiner Ver suche und Theorien sowie durch statistische Vergleiche zu denselben Schlüssen wie die Deutschen: Erkrankungen an Geschwülsten hängen mit der Boden beschaffenheit zusammen. Elektrisch gut leitender Untergrund, der, wie er meint, die kosmischen Strahlen reflektiere, sei schuld. Die deutschen Forscher nehmen „Erdstrahlen“ an. Entscheidend aber bei beiden Richtungen: die geophysika lische Struktur des Bodens — was wohl für den praktischen Gebrauch die Hauptsache ist. Der Streit, ob Strahlen „von oben“, oder „von unten“, mag von der Wissenschaft entschieden werden. Die Bemühungen und Forschungen nach der Veröffentlichung Winzers und 876