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paläste. All diese schwierigen Szenerien, die ihm selbst unbekannt sind, werden in wenigen Minuten hingeschrieben. Aber der Geist läßt ihn dann noch nicht los. Auch dieser Wundermann greift nach der schwarzen Binde, und nun entquellen seinem Mund in Versform Geisterworte, die eine Ergänzung des Bildes darstellen. Seine Spezialität ist das „Kontaktbild . Wir treten in die gute Familienstube. Andachtsvoll sitzen im Hintergrund schon seine Frau, seine Nichte und einige Proselyten. Er ist im Begriff, das Kontaktbild zweier durchreisender Provinzler hinzuschreiben. Mit einigen Wischern und Lappen hat er innerhalb zwei Minuten in knallroter Farbe ihre Urahnen aus der Etruskerzeit hingezaubert. Dann setzt er sich mit der Augenbinde an den Tisch, versinkt entspannt in ein Nirwana und diktiert in gehobenem Versmaß, was der bildlich zitierte Geist aus grauer Vorzeit seinen späteren Ahnen zu sagen hat. Schüchtern entrichten die Besucher den billigen Geisterpreis, und nun kommen wir an die Reihe. Bei mir meldet sich ein mir zugedachtes Mädchen aus dem Jen seits, das mich als guter Schutzgeist beim Vollmond bewacht und noch voll Eifersucht auf meine irdischen weiblichen Genien ist. Wieder kommt nun das Gedicht, das er monoton herausstößt. Auf meinen Einwurf, er brauche sich bei mir nicht mit Versen anzustrengen, es genüge mir auch die nackte Prosa meines Schutzengels, entgegnet er, daß dies nicht in seiner Macht stehe, der Geist spräche aus ihm. Der Okkultist In seinem Zimmer riecht es nach Weihrauch. Am Abend, nach den vielen Be suchen und astralen Niederschlägen, muß er immer räuchern, um die Gespenster loszuwerden. „Sehen Sie denn manchmal Gespenster?“ „Sehr oft! Neulich, als ich in mein Arbeitszimmer kam, saß eines auf meinem Stuhl an meinem Schreibtisch.“ „Was machen Sie denn dann?“ „Ich setze mich drauf“, erwidert er schlicht. Auch sein Äußeres ist von einer gefaßten Rundung. An seinem Gesicht konnte sich eine Frau versehen. Zwischen wabbligen Wangen drängt sich die spitze Nase durch, unter der einige Schnurrbartreste hängen, wie bei einem tragi schen Mongolenschädel. Aber das Merkwürdigste ist die Stirn, die wie ein Kirch turm ansteigt und die eine richtige Spitze hat, wo sein unsichtbares astrales Auge wie er behauptet, sitzt und überhaupt sein Sinn, Dinge und Menschen in der vierten Dimension zu beschnuppern. Er spricht leise, langsam und monoton, als ich ihm einen Gegenstand gebe den er zu betasten und zu bestreichen beginnt, um dann über dessen Besitzer aus zusagen. Der Sektierer Glaubhaft ist es kaum, aber was in diesem Saal der Andacht wöchentlich vor stc geht, ist dunkelstes Mittelalter. Breughelsche Darstellungen von Besessenen, im Veitstanz verkrampfte Frauen und Männer, die der Satan vom Boden hochzerrt