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Die Stellung der heutigen Wissenschaft zum Spiritismus Von Professor Dr. Traugott Konstantin Oesterreich D ie Naturwissenschaft des vergangenen Jahrhunderts und die Realpolitik des reinen Machtwillens hat die Welt so realistisch gemacht, daß man im allgemeinen alles, was über die unmittelbare sinnliche Welt hinausgehen würde, mit innerer Abneigung beiseite schiebt. Im Bankkontor und zwischen den Schmiedehämmern eines Industriewerks entsteht nicht die Stimmung, die zu Träumen über Gräber hinaus gehört. Die Naturwissenschaft und Technik halten den Menschen fest an die Wirklichkeit gebunden. Diese Geisteshaltung ist überwiegend auch für die wissenschaftliche Einstellung zur Welt bestimmend geworden. Zwar hat sich die Psychologie seit zwei Jahrzehnten wieder von der „Psychologie ohne Seele“ abgewandt und erblickt in allen Seelen funktionen die Betätigung eines identisch bleibenden Faktors, den wir unser Ich nennen. Aber die Frage, wo dieses Ich herkommt und was aus ihm beim Zerfall des Organismus wird, wird überhaupt nicht mehr gestellt. Man bleibt stehen bei dem erfahrungsmäßig gegebenen Seelenleben. Es fehlt ein inneres Bedürfnis, darüber hinauszugehen. So hart ist die Welt geworden. Mitten in diesen Positivismus ist der Spiritismus hineingefahren. Schon um die Mitte des vergangenen Jahrhunderts hat er sein Haupt erhoben. Er kam von Amerika, wie denn die angelsächsischen Länder niemals so stark von der bewußten Diesseits gesinnung erfaßt worden sind. Zwei angebliche „Klopfmedien“ waren der Ausgangspunkt. Ein Franzose hat System in die Sache gebracht, seitdem ist kaum ein wesentlich neuer Gedanke im Spiritismus aufgetaucht. Immer und überall der gleiche Glaube, daß die Seelen fortleben und sich durch die sogenannten Medien kundgeben. Durch automatische Schrift oder seltener durch Zungenrede. Häufig auch durch Klopf laute. Am seltensten aber, indem sie in einem feineren Leib, dem Astralkörper, erscheinen und sich wohl gar betasten lassen. Es ist verständlich und selbstverständlich, daß die Psychologie sowohl wie die Physiologie sich zu diesen Auffassungen viele Jahrzehnte hindurch in einen solchen Gegensatz gesetzt haben, daß man es überhaupt abgelehnt hat, die angeblichen Tatsachen, von denen sie ausgehen, auch nur zu prüfen. Helmholtz und Wundt haben sich dessen strikt geweigert, und zahllose Unbedeutende haben es ihnen gleichgetan. Aber einzelne haben eine Ausnahme gemacht. Aus allen Ländern sind Namen von Naturforschern bekannt, die unter dem Hohngelächter der übrigen sich anders verhielten. Sie gingen in die spiritistischen Sitzungen und ließen sich über zeugen, leider nicht nur von allerlei Wahrnehmungstatsachen, sondern auch von der spiritistischen Deutung. Der große Biologe Wallace, würdig, neben Darwin genannt zu werden, der Physiker Crookes, dieser frühe Vorgänger der heutigen Strahlungsphysik, der Begründer der Astrophysik Zoellner und andere. Aber sie drangen nicht durch. Man hörte weder auf ihr spiritistisches Glaubensbekenntnis noch auf ihre Wahrnehmungsfeststellungen. Das war die Situation, die wir Heutigen vorgefunden haben. Hervorragende Forscher behaupteten, ein vernachlässigtes Gebiet von realen Phänomenen entdeckt zu haben, und deuteten diese als Kundgebungen von Geistern. Es ergab sich