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Sokrates in Hamburg oder Vom Schönen und Guten Von A. F. Synkop Vorwort B ekanntlich sind des öfteren Zweifel an der überlieferten Ansicht laut ge worden, die Hamburgs Gründung erst unter Karl dem Großen stattfinden läßt. Einige Forscher haben z. B. den Ursprung Hamburgs auf Ham, den zweiten Sohn Noahs, zurückführen wollen, indem sie sich einerseits auf die Namens entsprechung stützen, andrerseits aber auf den Umstand, daß Ham beim Ab schluß des Bundes, in dem das Auf hören des 40 tägigen Regens stipuliert wurde, nicht gegenwärtig war; es wäre also mit dieser Hypothese nicht nur der Name, sondern auch das Klima der Freien und Hanse-Stadt erklärt. Gleichwohl ist eine andre Vermutung wahrscheinlicher, die Hamburg mit dem Phäakenlande Homers identifizieren möchte. Denn nicht nur allgemeinere Charakteristika wie der Hang zur Seefahrt und die Vorliebe für reichliches und gut bereitetes Essen stimmen überein, sondern auch in Ein^el^iigen besteht eine Verwandtschaft, die kaum zufällig sein kann. Nausikaa will z. B. auf keinen Fall zulassen, daß ihr Vater ohne tadellos behandeltes Oberhemd in die Ratsver sammlung geht, und sie betont mit einer in der klassischen Literatur sonst nicht nachweisbaren Entschiedenheit die Neigung ihrer Brüder „. . . sich beständig mit reiner Wäsche zu schmücken. Wenn sie zum Tanze gehn!“ und, was das merkwürdigste ist, sie weigert sich, den Odysseus mit auf ihren Wagen zu nehmen, nicht weil er ein Mann, und zwar ein schöner Mann, sondern weil er „kein Hiesiger “ ist. „Denn es spräche vielleicht ein Niedriger, der uns begegnet“ — so sagt sie wörtlich im 6. Gesang der Odyssee — „Seht doch, was hat sich das Mädchen für einen stattlichen Fremdling Aufgegabelt? Wo hat sie den her? Will sie sich verloben? Ja, die hatte es nötig, sich einen von auswärts zu holen, Da sie die hiesigen Söhne aus bester Familie verachtet!“ * Wie dem auch sei: jedenfalls war Hamburg den Griechen bekannt. Das zeigt unwidersprechlich die vor kurzem in der erzbischöflichen Bibliothek zu Berge dorf entdeckte Handschrift eines platonischen Dialogs (Codex Bergedorfianus graec. 128, 4°, Pergament, XII. Jahrhundert), der — wie schon der Titel „Phädrus Hammaburgensis“ zeigt — auf Hamburger Boden spielt und uns in die kulturellen Zustände Hamburgs im 4. Jahrhundert vor Christo wertvolle Einblicke gewährt; z. B. erfahren wir, daß die Straßenbahnlinie 28 damals noch 19 hieß, aber auch nicht schneller fuhr als ihre moderne Nachfolgerin und daß die Benutzung einer anderen Linie für einen besseren Hamburger zu Platos Zeiten ebenso deklassierend war wie heutzutage. 2 59.3