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Alice Garnmann Glück bei Männern Von Gina Kaus i olly meint, Molly habe gar kein 'Glück bei richtigen Männern, son dern bloß bei einem gewissen femininen Typ, der immer eine mütterbche Gouver nante neben sich haben muß; Molly wiederum behauptet, Dolly werde bloß von vielen Männern zu deren eigenem Vergnügen mißbraucht, und das sei kein richtiges Glück. Die Begriffe stehen eben nicht fest, und man kann über die Be deutung des Wortes „Mann“ ebensogut streiten, wie über die Bedeutung des Wortes „Glück“, und selbst von der spartanischen Helena mag gelegentlich eine wohlwollende, in hausfraulichen Ehren ergraute Freundin gesagt haben, sie hätte von dem zehnjährigen Männermord vor Troja schließlich nichts gehabt, als eine verwahrloste Wirtschaft, ein leeres Wäschespind und einen mißtrauisch gemachten Gemahl. Glück bei Frauen läßt sich einfach definieren: der hat es, dem viele Frauen ohne jedwede Gegenleistung gerne ihren Körper überlassen. Umkehren kann man das nicht, weil doch schließlich die meisten Männer für die meisten Frauen ■—■ vor übergehend — zu haben sind (vorausgesetzt, daß sie überhaupt für Frauen zu haben sind). Damit man einer nachsagen kann, sie habe Glück bei Männern, muß sie schon neben der erotischen Bereitwilligkeit manches andere auszulösen ver stehen: finanziellen Opfermut, reelle Heiratsabsichten, oder zumindest jene stur monogame Kapriziertheit, die man Liebe nennt. Warum eine bestimmte Frau Glück bei Männern hat, ist den anderen Frauen meist vollkommen unverständlich. Der einzige Grund, den sie begreifen, den sie manchmal beinahe neidlos anerkennen, und den sie gewissermaßen für legitim halten, ist außerordentliche körperliche Schönheit. (Vielleicht, weil die meisten Frauen von Kindheit auf dressiert sind, in der Schönheit die wichtigste Waffe der Liebe zu sehen, und weil alle glauben, selbst im Besitz dieser Waffe zu sein.) Wird eine häßliche Frau und noch dazu von vielen Männern begehrt, so stehen alle anderen Frauen vor einem Rätsel; sie sind dann stets geneigt, solchen rätsel haften Erfolg auf besonders verpönte Mittel zurückzuführen, auf Schamlosigkeit, Zudringlichkeit oder geheimnisvolle Perversionen. Denn die Frauen sind weit davon entfernt, den Männern eine nennenswerte Leidenschaft für geistige oder seelische Vorzüge zuzutrauen. Im Laufe der Jahrtausende haben Männer ganze Bibliotheken über die Frauen vollgeschrieben. Sie haben die Frauen beobachtet und analysiert, angebetet und verachtet. Jede Generation hat ihr weibliches Ideal verherrlicht, jede ihren weib lichen Teufel an die Wand gemalt, von der Schlangenfreundin Eva angefangen 736