Reichstag, und über dieses Mandat kam er zum Nationalsozialismus. Ob sein Verhältnis zum Führer sehr innig ist? Dieser draufgängerische Grandseigneur paßte besser zu einem Mazarin als zu dem spießigen Legalitätsaspekt und dem wichtigtuerischen Kommiß-Rituell des Braunauer Usurpators. Schon daß Graf Ernst zu Reventlow noch immer gute Kameradschaft mit dem ver stoßenen Rebellen Otto Strasser hält, beweist, wie turmhoch der Graf über der Atmosphäre des kriechenden Klün gels steht, für den es zum Bon ton der Parteisociety gehört, Saboteure des Kraals nicht mehr zu grüßen. Die ehrliche Arbeit und der ehr liche Wille, an sich selbst zu arbeiten, die auch aus Franziska Reventlow, der Schwester, viel mehr machten als eine durchschnittliche wilde Schwabingerin, die heben auch den Bruder aus den Gegebenheiten seines Standes und dessen Dekadenz empor. Kein Wunder, daß dergleichen kühne, gegen fast un- übersteigliche Kastenwände erkämpfte Menschlichkeit auch schon im Äußeren ihres Trägers pikante Widersprüche erzeugt. Wenn Franziska bei allem Herumzigeunern stets wie eine voll endete grande Dame wirkte, so sieht Ernst bei aller Aristokratenkorrektheit stets aus wie ein salopper Bohemien. Und daß der Sohn von Ernst eine zeit lang als Eintänzer arbeitete, ohne vom Vater verstoßen zu werden, das ist ebenso charakteristisch für die Ge schichte der Familie Reventlow, wie daß der Sohn von Franziska an dem selben angesehenen sozialdemokrati schen Blatt Redakteur geworden ist, dessen Chefredaktion der Reichstags- präsident Paul Loebe innehat. O. B. L. Die politische Gegnerschaft findet in Frankreich amüsantere Fas sungen als bei uns. Painleve z. B. wurde definiert als „eine brennende Kerze, die im Zugwind steht. . .“ oder „ein Lappen, den man an seinen vier Ecken hin und her zerrt. . . und in der Mitte ist ein Loch, das heißt Painleve . . .“ 489