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Aus einem Urteil der Ober prüfstelle: „Die Kammer hat der Auffassung der Prüfstelle, daß von der Darstellung des im Bett schlafenden Paares eine Fantasieüberreizung Ju gendlicher zu befürchten sei, sich nicht anschließen können. Die beiden Schlafenden sind von Kissen und Decken fast völlig bedeckt, so daß man nur die beiden Gesichter und den einen Arm der Frau sehen kann. Die Ge sichter machen einen ruhigen, glück lichen Eindruck, der auf irgendwelche sexuelle Exzesse nicht schließen läßt. Auch die Auffassung der Filmprüf stelle, daß die Umgebung weicher Kissen, insbesondere auf der bunten Diafolie, eine schwüle Atmosphäre ver breite, konnte die Kammer nicht teilen.“ Eine schweinische Geschichte. Die „Reichsstelle für Landwirtschaftliches Marktwesen“ hatte eine „Schweinefibel“ herausgebracht und sie für die „Grüne Woche“ verfilmen lassen. Dieser Bildstreifen sollte die Schweineprodu zenten über die Situation auf dem Schweinemarkt aufklären und vor einer übermäßigen Schweineproduktion war nen. In diesem — von einer staat lichen Stelle hergestellten — Film sieht man die Szene: vor einem Stall stehen drei Säue, die zum Eber geführt wer den sollen. Die Vorführung dieser Bilder hat die Prüfstelle verboten. Sie seien anstößig. Damit die Herren von der Landwirtschaft — denn denen wollte man ja diesen Film zeigen — es nur wissen: auch die Ferkel bringt der Klapperstorch! Peter Eimann Naturgeschichte. Gerhard ist sechs Jahre alt. Erhard ist fünf Jahre alt. Gerhard kommt nach Hause und sagt: „Ich glaube, die Katze daneben bei Pastor Fromm wird bald Junge kriegen.“ „Ausgeschlossen“, sagt Erhard. „Warum denn?“ meint Erhard. „Weil“, erklärt Gerhard, „die Katze ein Kater ist — und Herren brüten nicht.“ Sitten-Kodex für Hollywood Will H. Hays hat einen „Sitten- Kodex“ verfaßt. Wer Will H. Hays ist, sollte man eigentlich ohne weiteres wissen: der Filmzar. In dem republi kanischen Amerika ist jeder, der es zu etwas bringt, ein König. In jeder Branche regiert ein gekröntes Haupt, ob es sich nun um Weizen handelt oder Konservenbüchsen. Der Film in Ame rika hat sogar einen Zar, das ist der Mr. Hays, der Präsident der Vereini gung der „Motion picture producers and distributors of America“ ist. Also, der Sittenkodex, den der Zar für seine Untertanen herausgibt, dekretiert die Gesetze, die in Amerika künftig für die gesamte Filmproduktion maßgebend sein sollen. Dieses zaristische Gesetz buch hat den großen Vorteil, daß es nur wenig Sätze umfaßt: Die Heiligkeit der ehelichen In stitution sowie die Menschenwürde müssen gewahrt werden. Der Ehebrecher mag gelegentlich für die Zwecke der Intrige nötig sein; nie mals aber darf er schließlich Recht be halten. Szenen der Leidenschaft dürfen nicht in der Art aufgezogen sein, daß sie die niedrigen menschlichen Instinkte reizen. Obszönes — oder auch nur ein Hinweis auf Obszönes — ist im Wort, Gesang sowie Bewegung verboten. Vollständige Nacktheit wird nie mals geduldet. Nie darf ein Film den religiösen Glauben ins Lächerliche ziehen. An gehörige des Klerus dürfen in einem Filmstück nur eine Rolle spielen, die ihrer Würde entspricht. Der Kodex zählt zum Schluß be stimmte Szenen auf, die nur vorgeführt werden dürfen, wenn es mit „Ge schmack“ geschieht: Hinrichtung auf dem elektrischen Stuhl, sonstige Hin richtungen, kriminalistische Zwangs maßnahmen, Stempelaufbrennen bei Vieh, Grausamkeit, Prostitution usw. 482