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Der Unfug des Mediumismus Von Carl Graf v. Klinckowstroem an hat den Okkultismus, oder wie die neuere Bezeichnung lautet, die Para psychologie, als eine werdende Wissenschaft bezeichnet. Das fragwürdigste Kapitel dieses Wissensgebietes sind die sogenannten paraphysischen oder physi- kalisch-mediumistischen Phänomene: Teleplastie, Fernbewegungen usw., die seit der Geburt der spiritistischen Bewegung im Jahre 1848 stets in diesen Kreisen eine große Rolle gespielt haben, die aber noch heute von kaum einem ernsten Manne der Wissenschaft anerkannt werden. Das hat seine guten Gründe. Denn dieses Gebiet ist weithin und auf lange Zeit hinaus von den Okkultisten selbst gründlich kompromittiert worden. Es war und ist ein Tummelplatz von leichtgläubigen Phantasten oder von Leuten, denen entweder jede Eignung zu einer exakten und methodischen Forschung abging, oder die kritiklos dem „okkultistischen Kom plex“ anheimfielen und sich jeden Schwindel aufbinden üeßen. Daß die Medien oft und gern betrügen, das konnten auch die Okkultisten nicht abstreiten. Allein sie pflegen sich hinter der Scheinlogik zu verschanzen, daß ein nachgewiesener Betrug in einem Falle nichts gegen die Echtheit derselben Phänomene in anderen Fällen beweise. Der Beweis für die Echtheit scheiterte aber immer wieder an den Bedingungen, die die Medien stellten — Bedingungen, die eine hinreichende Beobachtung und Kontrolle ausschlossen und eine Entlarvung so gut wie un möglich machten, denen sich aber der Forscher fügen mußte, wenn er überhaupt Phänomene erleben wollte. Mit welcher Leichtfertigkeit und Ahnungslosigkeit okkultistische Forscher, die sich selbst für berufen und erprobt hielten, zu Werke gegangen sind, mag an einem drastischen Beispiel gezeigt werden. Im Jahre 1920 veröffentlichte Dr. Freiherr v. Schrenck-Notzing in seinem Buch „Physikalische Phänomene des Mediumismus“ Untersuchungen mit dem Warschauer Medium Stanislawa Tomc^jk, die Julian Ochorowicz und später (1914) er selbst durchgeführt hatten. Bei den 15 Sitzungen, die Schrenck-Notzing selbst abhielt, fällt als einziger ständiger Teilnehmer ein Fräulein P. auf, eine Freundin und Landsmännin des Mediums. Was sich diese beiden Damen dem vertrauensseligen Untersucher gegenüber herauszunehmen wagen durften, zeigt insbesondere die neunte Sitzung, auf deren Verlauf wir näher eingehen wollen. „An einem Tisch, dessen Platte 1,20 m lang und 68 cm breit ist . . . nimmt das Medium derart Platz, daß es den Tischrand nur mit der rechten Seite berührt und dem neben ihr sitzenden Ver fasser (Schrenck) ihre Vorderseite zu wendet. Derselbe nimmt ihre Knie und Füße zwischen die seinigen (die Beine des Mediums befinden sich während des Versuchs nicht unter dem Tisch), hält ihre linke Hand, während die Rechte des Mediums auf den Tisch gelegt wird. Dieses nimmt nun bei stark abgedämpftem Rotlicht eine einfache Tischglocke (Klingel) mit der rechten Hand und hält sie von sich aus nach seitwärts über den Tischrand (der Schmalseite, an welcher niemand saß), so daß das Handgelenk den Tischrand berührte. Unter diesen Kontrollbedingungen, die ihren ganzen Körper mit Ausnahme der rechten sicht- 473