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Telefon, Auto, Radio, Thermostat Von H. L. Mencken W as wir Fortschritt nennen“, meinte einmal Havelock Ellis, „ist der Aus tausch eines Unfugs gegen den anderen.“ Es muß ja Leute geben, denen der Schall des Telefonsignals Freude macht, aber wenn es sie gibt, so kann ich nur sagen, daß ich ihnen noch niemals begegnet bin. Höchstwahrscheinlich stellt das Telefon, so wie wir es heute kennen, mehr reine Gehirnarbeit dar als irgend eine andere menschliche Erfindung. Aber kein Mensch hat daran gedacht, das Telefonsignal zu verschönern. Und doch könnte man diesen Klang mit geringer Mühe tief, wohlklingend und sogar beruhigend machen. Die Telefon-Ingenieure lassen ihn unverändert, und in jeder Stunde des Tages leiden Millionen Menschen unter ihm! Das Telefon ist meines Erachtens die größte Wohltat, die den Ekeln jemals zuteil wurde: es hat ihre alte Kunst auf eine neue Leistungsstufe gehoben und sie in die Lage versetzt, in die letzten Trutzburgen des Privatlebens ein zubrechen. Alle Vorkehrungen, die man gegen das telefonierende Ekel getroffen hat, erwiesen sich als untauglich. Da ist zum Beispiel die Geheimnummer: mit ihr fertig zu werden ist für ein einigermaßen begabtes Ekel ein Kinderspiel; Geheimnummern in Erfahrung bringen, gehört zu den Anfangsgründen seines bösen Handwerks. Das Ekel bekommt sie mit so automatischer Sicherheit heraus wie Newyorker die Adressen der Flüsterkneipen. So wird denn sein armes Opfer, der Geheimnummerbesitzer, so stürmisch belagert, wie wenn seine Telefon nummer in Rauchschrift an dem Himmel geschrieben stünde. Seine Freunde aber vergessen die Nummer gerade bei kritischen Anlässen, und so kommt er um manchen angenehmen Klatsch und um manche gehaltvolle Einladung zum Wein. Es ist nicht nur schwer, es ist beinahe unmöglich, sich eine Welt ohne Telefon vorzustellen. Telefonapparate sind für die Menschheit, namentlich in den Ver einigten Staaten, so unentbehrlich geworden wie Fensterglas, Zeitungen oder Speisepulver. Hin und wieder hört man von einem Mann, der, um das Telefon loszuwerden, in irgendein gottverlassenes Dorf floh, um nach Art der griechischen Philosophen zu meditieren; aber seine Meditation gilt schließlich den Rosen kreuzern, der Single Tax, der Agrarhilfe oder sonst einem Wahnsinn. Ich selbst habe schon ein dutzendmal angeordnet, daß mein Telefon ausgeschaltet werde, aber immer wieder machte ich irgendeinen dringenden Gebrauch davon, ehe der Mann kam, der meinen Apparat abmontieren sollte, und ich empfing ihn dann mit Entschuldigungen und einem Glas Schnaps. Ein Telefonfritze er zählt mir, daß sie von Anträgen wie dem meinen täglich mehrere Dutzende be kommen, daß diese Anträge jedoch niemals ausgeführt werden. Ich selbst habe jetzt zwei Telefone im Haus und bin dabei, mir ein drittes anzuschaffen. In zehn Jahren wird man zweifellos in jedem Zimmer ein Telefon haben, wie heute im Hotel. Und trotzdem bleibe ich theoretisch ein Feind des Telefons und verfluche es weiter. Es ist eine große Erfindung und hat der Menschheit großen Nutzen gebracht, mir persönlich aber mindestens ebensoviel Böses wie Gutes. Wie oft 455