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Edison und der Elektrische Stuhl Von D o ctor Becker D as aber wißt Ihr nicht, daß wir keinem anderen als Edison den Elektrischen Stuhl verdanken. Etwas verwickelt ist die Sache. Der elektrische Strom, der Menschen umbringt, ist nicht die Erfindung Edisons, sondern im Gegenteil die Erfindung seines ver haßtesten Konkurrenten, und eben diesen wollte Edison dadurch umbringen, daß er zeigte, wie man mit der Erfindung des Konkurrenten Menschen umbringen kann. Wie Ihr wißt, hat Edison das elektrische Licht erfunden. Er verwendete direkte Schwachstromleitung. Da kam die Konkurrenz: George Westinghouse wandte Wechselstrom mit Hochspannung an, und das war billiger. Die um Westinghouse entstandene Aktiengesellschaft drohte die Edisonsche gradezu auszuschalten. Die letztere, keineswegs geneigt, ihr elektrisches Licht unter den Scheffel zu stellen, erklärte öffentlich, ihre Drähte seien ungefährlich. Aber die, die die Konkurrenz lege, seien lebensgefährlich, imstande, Mensch und Tier im Nu zu töten. Haha, lachten die Plakate der Westinghouser mit promptem Hohn, haha, Konkurrenzmanöver! Nur um unsere Drähte zu isolieren, wird solcher Unsinn ausgestreut. Unsere Leitungen sind harmlos wie Seidenfäden. Haha, „wie Seidenfäden“, lachte die Leitung der anderen Leitung, aber ihr Lachen klang nicht ganz echt. Denn sie fühlte, daß Amerika geneigt sei, an un lauteren Wettbewerb zu glauben und sich den billigeren Lieferanten hinzugeben. Was kann man anderes gegen den Vorwurf des unlauteren Wettbewerbs machen als unlauteren Wettbewerb? Man brachte einen Gesetzentwurf gegen die Verwendung von Westinghousescher Elektrizitätsleitung ein. Der aber wurde nicht Gesetz. Alle amerikanischen Abgeordneten kann eine Schwachstrom-A.-G. nicht bezahlen. Da erschien in der Stadt Albany, dem Sitz von Regierung und Parlament des Staates New York, ein Assistent Edisons, Mr. Harald Browh, und hielt öffentliche Experimentalvorträge über Elektrotechnik ab. Die hatten großen Zulauf, denn Elektrotechnik war damals offenkundig das zukunftsreichste Geschäft. Jeder wollte sich darüber informieren. Auch waren die Eintrittspreise niedrig, er staunlich niedrig, — wie konnte der Mann bei der Kostspieligkeit seiner Ex perimente überhaupt auf die Rechnung kommen? Hm, er war eben uneigen nützig. Und unparteiisch war er auch: obwohl er Edison und der Edison- gesellschaft nahestand, stand er nicht an, nach seinen Schwachstromversuchen offen zu erklären, daß der Starkstrom viel stärker und wirkungsvoller sei. Zum Beweis leitete er auf der Bühne Westinghousesche Ströme durch lebendige Hühner, lebendige Kaninchen, lebendige Hunde und lebendige Pferde — und, voilä, im selben Moment hörten sie auf, lebendige Kaninchen, lebendige Hunde und lebendige Pferde zu sein. Wie das der Zufall und amerikanische Aktiengesellschaften so zustande- 184 V