Hans Pfeiffer Die Phrase und die Paraphrase „Heute“ Von Paul Kornfeld A ls während des Krieges in Deutschland die Sommerzeit eingeführt wurde, feierte ein nationalistisches Blatt dieses Ereignis mit balkendicken Lettern, und eine gewaltige Schlagzeile schrie dieseWorte in die Welt hinaus: „Deutschland greift in die Speichen der Zeitl“ Man hatte damals wohl in der Redaktion des Blattes das Gefühl, daß die auf dieser Erde siegreichen Generale ihr Operations gebiet erweitert, sich in den Kosmos emporgeschwungen haben und nun auch noch die Ewigkeit dirigieren, und daß auf ihr Kommando hin von jetzt an die Räder der Zeit anders dahinrollen. Es gibt die Hybris des tragischen Helden, es gibt aber auch die lächerliche Hybris des Dummkopfes. Und unlängst las ich die große Klage eines wahrscheinlich toll gewordenen Journalisten: Wir haben, jammerte er, wir haben keine Gegenwart, und was wir statt dessen haben, sei nur der Übergang von der Vergangenheit zur Zukunft, und das müsse anders werden! — Der Arme! Nur sehr schwer wird seinem Leiden abzuhelfen sein! Gewiß, jener Redaktion wäre damals beizubringen gewesen, daß Deutschland nicht in die Speichen der Zeit, sondern nur dem Ziffernblatt in die Zeiger ge griffen, und dieser Journalist könnte vielleicht auch, wollte man sich nur einige Mühe mit ihm geben, begreifen, daß im Fluß der Zeit die Gegenwart niemals etwas anders sein kann als der Übergang von der Vergangenheit zur Zukunft und daß er, wenn es ihm so nicht recht ist, nicht seine Mitmenschen anklagen