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taler Gemütsart und erfreulich gutem Ruf ist, soll die Clique natürlich im betonten Gegensatz zu dessen zarter Fraulichkeit stehen. Man muß sofort merken, daß diese göttliche Frau viel zu schade für eine solche Gesellschaft ist, von deren Untergründigkeit sie natürlich keine Ahnung hat. Weshalb ihr das Schicksal den Dornröschen prinzen trotz aller Fährnisse garantiert. Er erlöst sie im Frack oder Polodreß aus den Schlingen, die man ihrer Tugend legte. Sitzt aber gar der hochgewachsene, edelmütige Liebhaber selbst am ein samen Kaminfeuer, stürmt die Clique mit geschwungenen Whiskyflaschen und wehenden Frackmänteln herein, wobei natürlich ein überzähliges Girl per Zu fall mit dabei ist. Der Hausherr ist ebenfalls zufällig im Frack. Und die Schönheitskönigin unter den lockeren, aber durchaus tugendhaften Nacht schwärmerinnen maßt sich — um den Knoten zu schürzen — möglichst so fort alle Hausfrauenredite an. Sie ver liebt sich auf hervorragend exzentrische Weise in den bereits bang Liebenden, der sie noch kurz vor dem happy-end mit ritterlichem Anstand auf einen besseren Weg und damit aus dem Schlußbild bringt, das ihn (langsam abblenden!) mit der Frau, die ihn trotz aller Verwirrungen keinen Augenblids vergessen hat, endlich vereint. Man fragt sich zuweilen schüchtern, wovon diese junge, festzusammen- geschmiedete Clique eigentlich lebt Was die Leute tagsüber tun mögen, die jede Nacht zum Tage machen, immer einer Meinung, von einem Schneider angezogen, von einem Coiffeur ver schönt sind und von einem Gedanken beseelt durch die Untiefen einer unbe wegten Handlung treiben. Da stecken sie immer die gleich lächelnden Köpfe zusammen, zertreten mit Brokatschuhen und Ladepumps die guten Vorsätze des Daheimgebliebenen, sitzen beinebau melnd auf Flügeln, Schreibtischen und Treppengeländern. Und mit dem kost barsten Musikapparat gehen sie um, als wollten sie eine alte Ankerwinde lichten. Der stets in vornehmen Häusern gewesene Diener sieht das Treiben der Clique in der Großaufnahme mit höh nisch vibrierenden Nasenflügeln an. Man sieht, daß die Clique immer weniger fein ist als das Haus, in das sie einbricht. Aber sie ergießt sich wie ein unlösbares Bindemittel in neutraler Lösung in die Handlung, und kein noch so logisches Manuskript wird sie ver bannen können, solange es noch „Ge- sellschafts“-Filme gibt... Aber bewahre uns der kommende Tonfilm davor, daß diese Schlemihle des antiken Chores rhabarbermurmelnd aufs neue erstehen! MONTE VERITA bei ASCONA SCHWEIZ PROSPEKTE AUF ANFRAGE DAS GANZE JAHR GEÖFFNET