Volltext Seite (XML)
Hinter dem Objektiv Von E. A. Dupont D er Blick durch die Tür eines Filmateliers ist noch trügerischer als ein hinter den Theatervorhang riskiertes Auge. DerGebärungsprozeß des Films ist für den Außenstehenden noch schwerer auf eine faßliche Form zu bringen, als der einer Theaterinszenierung. Die At mosphäre, die die Presse den verzückten Filmenthusiasten vermittelt, ist bewußt (oder un bewußt?) mit einer süßlichen bengalischen Beleuchtung er hellt. Schminke statt Schweiß. Das Publikum überträgt die Illusion des fertigen Films auch auf den Herstellungsprozeß. Es würde wahr scheinlich der ganzen Angelegenheit den Rücken drehen, wenn bewiesen würde, daß die Fabrikation von Käse und Aspirin romantischer ist als die Entstehung von Filmen. Alle künstlerischen Darstellungsformen kranken (seit je und wahrscheinlich für immer) an der Diskrepanz zwischen Ursache und Wirkung. Eine große Wirkung muß einfach sein, ungezwungen, selbstverständlich, auf den ersten Anhieb überzeugend, und somit durchschlagend. Der Witz und die dramatische Pointe (die gegensätzlichsten Pole der Wirkung) haben alles gemeinsam, bis auf die Auswirkung ihrer Wirkung. Sie müssen auf den Bruchteil einer Sekunde berechnet sein, aber die Berechnung darf keiner merken. Sie müssen ganz unab sichtlich zur Explosion gebracht werden, aber die Absicht dieser Unabsichtlichkeit darf nie zu Tage treten. Ein Bar-Tender mixt einen Cocktail. Der Entstehungs prozeß ist so amüsant-kompliziert, es schmeckt um so besser, je komplizierter er ist. Der Filmregisseur mixt aus Kulisse, Natur, Sonne und künstlichem Licht; aus Menschen, ihren Leidenschaften, Dummheiten, Ärgernissen, Hoffnungen, Sehn süchten; aus Körpern, aus Sinnen — und jetzt auch aus Tönen, Musik, Worten, Geräuschen. Aber dieser Cocktail muß den Geschmack eines Natursprudels haben. Niemand darf sich der Kompliziertheit und Künstlichkeit des kompliziertesten aller Vorgänge bewußt werden. Dann wird Künstlichkeit zur Kunst. Manchmal gelingts, manchmal gelingts nicht. Meistens gelingts nicht (sagen die Artisten vor einem schwierigen Trick). Wer ehrlich ist, muß zugeben, daß es wirklich meistens nicht (obzwar manchmal doch schon) gelungen ist. Das Georg Losdi 27