Leidenschaft. Der abstrakte Denkprozeß soll in das Siedefeuer der praktischen Tätigkeit getaucht werden. Der kastrierten, spekulativen Formel muß der Reich tum und die Üppigkeit der lebendig-fühlbaren Form wiederkehren. Der formalen Willkür muß die Genauigkeit ideologischer Formulierung verliehen werden. Dies ist der Ruf, den wir erschallen lassen. Dies sind die Forderungen, die wir der anbrechenden Periode der Kunst entgegenstellen. Welche Form der Kunst ist ihnen gewachsen ? Einzig und allein die Mittel der Kinematographie. Ein: ig und allein die intellektuelle Kinematographie. Die Synthese des emotionellen, dokumen talen und absoluten Films. Nur der intellektuelle Film wird imstande sein, die Zwietracht zwischen der „Sprache der Logik“ und der „Sprache der Bilder“ zu entscheiden. Auf der Grundlage der „Sprache der Kinodialektik“. Der intellektuelle Kinematograph wird nicht der Kinematograph der Episoden und Episödchen sein. Nicht der Kinematograph der Anekdoten und Anekdötchen. Das intellektuale Kino wird der Kinematograph der Begriffe sein. Es wird der unmittelbare Ausdruck ganzer ideologischer Systeme und ein System von Be griffen sein. „Dialektische Methode“, „Idealismus“, „historischer Materialismus“ usw. usw., das sind seine Themen. Nicht in den Formen besonderer Einzelfälle. Nicht in Daten, nicht in Verallgemeinerungen, sondern durch die Auslegung der Methoden und Systeme dieser tief philosophischen Konzeptionen selbst. Nur einem solchen Kino, das einzig befähigt ist, unmittelbaren dialektischen Konflikt in die Begriffsaufstellung einzuschließen, ergibt sich die Möglichkeit, neue Begriffe und Ideen in die Millionenmassen hineinzutragen. Nur ein solches Kino wird auch formal auf der Gipfelhöhe der modernen industriellen Technik sein. Nur ein solches Kino wird Daseinsberechtigung haben zwischen den Wundern des Radios, des Fern sehers und der Relativitätstheorie. Der alte Typus des ursprünglichen Kinematographen sowie der Typus des abstrakt-abseitigen Filmes wird vor dem neuen intellektualen, konkreten Film verschwinden. Jenen wird auch nicht die Verbindung mit dem Tonfilm retten. Im intellektualen Film wird der Klang seinen bescheidenen und notwendigen Platz zwischen den übrigen Wirkungsmitteln er halten! Die Umwälzung des Kinos wird jedoch nicht vom Klang aus erfolgen. Die Umwälzung des Kinos erfolgt auf der Linie der Intellektuali sierung des Kinos. Dies ist der wahre Beitrag, den die Sowjetkunst in die allgemeine Geschichte der Künste ein bringt. Dies wird der Beitrag unserer ganzen Epoche zur Kunst sein. Zur Kunst, die aufgehört hat, Kunst zu sein, auf dem Wege zu dem Ziel, Leben zu werden. (Deutsch von Erwin Honig) Boli 21