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indusfrie muß mit Massen arbeiten und mit Absatz größten Stils rechnen. Geld ist eben auch noch, scheints, eine unbezwingliche Macht. Ich meine, mir stehen persönlich die Filme, die die Wahrheit verfilmen, am nächsten, unter uns gesagt, tun das die heutigen Kurbelmänner viel zu wenig. Ich könnte mir einen wirklichen deutschen Film denken, der ähnlich, wie ich es mit meinen mittelalterlichen Mitteln tue, ein wahrhaftiges Bild der heutigen Zeit gibt. Einfach, ich möchte gern einmal im Film den Mann sehen, der neben mir wohnt. Aber ihn selbst, nicht als Charge dargestellt, die sich im Bewußtsein ihrer guten Type aufdringlich in den Vordergrund spielt. Auch die Stube von nebenan möcht ich gern sehen, das „Milljöh“ sozusagen, nicht erst hervorragend einfallsreich von illustren Archi tekten aufgebaut. . . nein, so nebenbei wie im Leben .. . .Und dann diese ewig und mit der Zeit wirklich albernen Filmvorstellungen vom Leben der oberen Zehn tausend, hat da überhaupt einmal von den Statisten einer einen Bauch? . . . Wenn, dann doch auch nur wieder, entweder als Kontrast um einen dicken Liebling des Volkes dünner erscheinen zu lassen . . . oder als dämonische Raffke- charge . . . aber dieser sanfte mittlere Bauch des Mannes gegen vierzig, wie er bei uns so häufig, den habe ich nie gesehen. Alles ausgeborgte schlechte Sta tisterie . . . jeder von sich träumend übermorgen ein Menjou oder so . . . was eben gerade in Amerika modern. Ich denke mir immer, was könnte man hier für schöne Filme drehen . . . könnte man nicht im Film etwas von dem rätsel haften unterirdisch bewegten Deutschland zeigen? Immer wenn ich im Ausland einen deutschen Film sah, sah ich eine Schauspielerwelt . . .Wo sieht man den untersetzten tüchtigen Mann mit dem Eckenkragen, mit der Mappe und Horn brille, der nebenbei in einem literarischen Verein ist, Musik liebt, und auch sonst seinen Mann steht . . . sieht denn wirklich, das Filmmilljöh ausgenommen, so unsere Gesellschaft aus? Ich kenne ziemlich alle Kreise, ich muß sagen, kaum. Warum diese Veridealisierung des, im Film immer so trauten, Kleinbürger daseins mit Balkon und Gießkanne und Kanarienvogel . . . vom Arbeiter im Film gar nicht zu reden; den gibts ja nur als neckisch zurechtgemachren Ziehmann oder sächsisch sprechenden Schofför. Warum denn überhaupt alles den Amerika nern abgucken? Deutschland hat so wundervoll filmreife Menschentvpen. Denn man vergesse doch eins nicht, der Amerikaner sieht meistens in der Wirklichkeit, jedenfalls was die jüngeren anbelangt, so aus, wie er im Film gezeigt wird, diesen smarten gutrasierten oberflächlichen ewig lächelnden Typ trifft man zu Millionen in U.S.A. . . . Bei uns sind solche Typen, falls man ihnen begegnet, entweder Homos oder Filmschauspieler. Wir haben doch auch einen Typ des jungen Mannes, der wohl angenähert, doch ganz anders ist . . . und keineswegs schlechter dasteht. Die Russen haben doch in ihren besten Filmen ebenfalls ihre typischen Russenphysiognomien. Toll, bei uns ahmt man nach und imitiert und hätte es eigentlich gar nicht nötig. So kommt es, daß tatsächlich das einzige Stück wirklichen deutschen Lebens ausschließlich den Wochenschaubildern Vorbehalten bleibt. Das andere ist meistens Pappe, Dekoration und im besten Falle Märchen für erwachsene Kinder. Ich bin wieder da angekommen, wo ich begann . . . und solange die Menschen im Banne dieser materialistischen Zivilisation unmündig verharren, wird sich auch im großen und ganzen der Film kaum ändern. 17