2u verlangen. Er hat tausend Jahre vor sich, um seinen Pantagruel oder seinen Candide 2u produ2ieren. Man soll ihn 2uerst einmal 2ahnen lassen, zum Teufel! Trotzdem soll man schon heute seinen Kern, sein Soll und Haben festlegen. Ohne näher auf Streitigkeiten einzugehen und die Frage mit kleinlichen Schikanen zu vergiften, muß man zugeben, daß der Film heute unsere Zeit beherrscht. In der Nachkriegszeit ist er der neue Stern, der die jungen Generationen souverän leitet, und wenn nicht er selbst, dann doch sein Rhythmus und seine Leichtigkeit. Denn die großen Ereignisse beeinflussen nicht nur das Gewebe der Tatsachen, sie erneuern die Atmosphäre, so daß man heute Film „atmet“, wie man zur Zeit der Renaissance Malerei atmete. Wenn sich einmal eine gewisse Durchsetzung, ein gewisser Einfluß bemerkbar gemacht hat, dann kann sich niemand mehr der allmächtigen Witterung entziehen. Der Film ist nicht eine einfache Leinwand, der Film ist das moderne „Milieu“. Deshalb ist er seit der Erfindung der Buchdruckerei die wichtigste menschliche Entdeckung. Auf die aktive Seite des Films buchen wir kühn zwei Guthaben: 1 . Die Vorherrschaft des Auges; 2 . Der Sinn für die Bewegung. Der Film hat dem Universum, dem Leben in unseren Augen Gestalt und Form gegeben. Daß die Erde eine bunte Kugel ist, mit Wald, Feld und Industrie, hat man uns an Hand von Statistiken schon in der Schule gelehrt, aber keinem von uns war das ganz bewußt geworden. Man kannte die Erde durch den Intellekt, das heißt vom Hören sagen, oder vielmehr vom Hörenlesen. Jetzt sieht man sie mit dem bloßen Auge. Zwischen der Welt vor dem Film und der Welt von heute be steht der gleiche Unterschied wie zwischen Italien und einem Baedeker. Die Wirklichkeit ist an die Stelle der Be ziehungen getreten, das wahrnehmbare und koin- zidierende Bild an die Stelle der geometrischen Beschreibung: das ist der Film. Bewegliche Wirklichkeit, endlos aufeinander folgende Bilder: das ist die zweite Lehre des Films. Sieg des Fortschreitenden über das Statische, des bar barischen Lebens über den klassischen Tod. Nach den Versen von Baudelaire muß man entweder schweigen oder Film werden. Der Film ist der Tausch des Abstrakten gegen das Konkrete. (Deutsch von Lissy Rademacher ) George Grosz