Karikatur um 1900 Ein Zukunftsbild (Paris-New York 1915) DER KAISER UND DER KRIEG Zum hundertsten Geburtstag Franz Josephs I. (18. August) Von KARL TSCHUPPIK F ranz Joseph, von Jugend an zu strengster Erfüllung der täglichen Arbeit erzogen, ist der „erste Hofrat“ des Staates. Als Kaiser war er während der ersten Hälfte seiner Regierung die Erfindung eines Schneiderssohnes aus Iglau (Mähren), des Staatsrats von Kübeck, der den neuen Cäsarismus formuliert und das ganz eigenartige System Franz Josephs begründet hat. Späterhin regiert er wie ein Edelmann, der sich entschlossen hat, die Marquis Posas seiner Nationen nicht mehr als gefährlich anzusehen; als er, liberaler als der deutsche Liberalismus, das allgemeine Wahlrecht durchzusetzen versucht, wird er von den Helden des bürger lichen Freisinns „Genosse Franz Joseph“ verhöhnt. Er vereinsamt und versteinert unter den furchtbaren Schlägen des Schicksals. 1867 wurde sein Bruder Maxi milian, der Kaiser von Mexiko, in Queretaro hingerichtet; am 30. Januar 1889 erschießt sich Franz Josephs einziger Sohn und Thronerbe Rudolf; am 10. Sep tember 1898 wird Elisabeth ermordet. Das vorbereitete Fest des fünfzigjährigen Regierungsjubiläums wird zum schwärzesten Trauertag. Niemand weiß, ob der Kaiser, der auf jedes private Dasein verzichtet hat, leidensfähig ist, wie weit er Leiden zu tragen vermag. An der Bahre Elisabeths sieht man ihn weinen. Andrässy erschrickt bei der Kondolenzvisite vor der steinernen Selbstbeherr schung Franz Josephs. Er war als junger Kaiser unpopulär, er wird noch nach 1866 von Wien nicht geliebt, er ist als Greis „der Kaiser, der niemals stirbt“, vom Bilde Österreichs, das drei Generationen in sich tragen, nicht mehr weg zudenken. Franz Joseph steht im fünfundsiebzigsten Lebensjahr, im siebenundfünfzigsten Jahr seiner Regierung, als der Herrscherwille Franz Ferdinands sich gegen ihn zu recken beginnt. Er hat Aehrenthal bejaht und die mit Deutschlands Hilfe unblutig durchgeführte Annexion Bosniens — Bülow: „Deutschland legte sein Schwert in die Wagschale der Entscheidung“ — gern hingenommen, er wehrt sich aber mit seiner ganzen Zähigkeit gegen die Präventivkriegspläne des General stabschefs Conrad. Dennoch vermag er es nicht zu hindern, daß sich Franz Ferdinands „Militärkanzlei“ als eine Nebenregierung etabliert. Die jüngeren Adligen aus Böhmen, ehrgeizige Industrielle und adelssüchtige Finanzleute um schmeicheln den zukünftigen Kaiser. Bei den Manövern in Dalmatien, August 1911, „befiehlt“ Franz Ferdinand 425