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versucht man es einmal mit Personalunion — das dürfte eine der wenigen Regie rungsformen sein, die man dort noch nicht ausprobiert hat. Katalonien, Spanien über haupt, hat heutzutage eine Unzahl iüustrierter Zeitschriften, die Tageszeitungen haben illustrierte Beilagen, und kein Geheimnis des Kupfertiefdrucks ist ihnen fern. Und reichlich 90 v. H. ihres Platzes nehmen Abbildungen von Kirchen fenstern und Stierkämpfen ein . . . Fahrt man von Barcelona nach Mallorca, so fährt man weit nach Süden, aber es wird nicht südlicher und nicht spanischer. Es wird, wie stets, wenn man in diesem erstaunlichen Land einen Ortswechsel vornimmt, wieder ganz anders. Eigentlich hätte man es erraten sollen: Mallorca hegt zwischen Spanien, Italien und Afrika, und alle haben abgefärbt. Ferner haben alle Völker der Historie zu irgendeiner Zeit dort gehaust und scheinen — von Goten bis Arabern — Nach kommen und Spuren hinterlassen zu haben. Die Frauen des Landes haben eine fast holländische Tracht, wozu sie lange schwarze Zöpfe tragen. Palma hat spamsche Patios, eine gotische Kathedrale, die vom Erbauer des Wertheimbazars stammen muß, holländische Mühlen vor den Toren, neben denen Palmen wachsen Man ist auf der Insel bald in Afrika, bald in Norwegen, Capri oder der Schweiz. Man ist auch in England, denn eine der komischen kleinen englischen Mittel meerkolonien wächst in neuester Zeit in Palma auf: tearoom, lending library, divine service sind schon da, sowie alte Damen, die billig leben und (manchmal) im Geheimen saufen wollen, und Herren, denen, aus diversen Gründen, das englische Klima ungesund erscheint. Die Insel scheint mir berufen, in vielen Romanen der Zukunft zu figurieren, vielleicht wird sie ein Super-Capri, jeden falls zieht sie seit langem Originale an. Die historisch bekannten sind George Sand, die dort den armen Chopin liebte, und der Erzherzog Ludwig Salvador, der seinem getreuen Sekretär ein unbeschreibliches Marmordenkmal (in Jäger tracht) gesetzt hat; die heute vorhandenen kenne ich aus Erzählungen eines würdigen Barbesitzers, der früher Kellner im Cafe Royal in London war, und daher sein Etablissement (in dem drei bis vier Eingeborene Domino spielen) stolz London Bar nennt. Die Perlen seiner Sammlung sind erstens die Besitzerin der schönsten Villa Palmas, die ihren Diener geheiratet hat, nachts sechs Thermos flaschen mit verschiedenen Getränken benötigt, sowie sechs seidene Bettdecken, und deren Alter ebenso fabelhaft sein soll wie ihr Temperament, und zweitens der junge argentinische Millionär, der im entlegensten Winkel der Insel ein hypermodernes Luxushotel gebaut hat und eine Kupferbrücke zu einem Inselchen baut, wo ein Bridgepavillon stehen soll, und einen Golfplatz im Felsengebirge anlegen läßt weil ihm das Spaß macht. In der Nähe erbaut er sich eine Art Tiberius-Palast auf steilem Felsen, und er hat versprochen, ein zweites noch weit üppigeres Hotel, ebenfalls mit antiken Möbeln ausgestattet, zu erbauen. Archi tekten, Dekorateure und (vermutlich) Antiquitätenfälscher Spaniens lieben ihn innig, der Barbesitzer jedoch findet, daß er zur Verschwendung neige. Aber seine Mutter hat gesagt — muß er zugeben —, das sei viel gescheiter als wenn er sein Geld in Monte Carlo verspielte. „Und wissen Sie, was sie ihm zu Weih nachten geschenkt hat? Eine Million Duros!“ — Auch diese Tochter Kolonial spaniens scheint also vom guten alten Rassegeist beseelt zu sein — und er fehlt wohl auch in der hier wiedergegebenen Legendenbildung nicht. 442