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nicht auf länger. Dabei werden wir dann scharf kontrolliert, denn sonst möcht ja mancher die Fremde an die Heimat verraten. Unsere .Ehrbarkeit“ läßt sich schwer verdienen. Sind wir krank, dann dürfen wir in der siebenten Woche sammeln gehen. — Hamburger Zimmerleute kannst du überall treffen, in Prag ebensogut wie in Budapest, in Zürich so gut wie in Wien. Es kommt sogar oft vor, daß manche nach Konstantinopel oder Jerusalem gehen. Sehr schön ist es in Lyon-Vaise, dort haben wir bei Jean Lapierre unsre Herberge. Wir Zimmer leute sollen uns erst mal die Welt ansehen. Damit fangen wir an. An zweiter Stelle wollen wir Häuser bauen, das ist ja unser Beruf. Wir wissen aber ganz genau, daß die meisten Häuser gebaut werden für Leute, die es nicht nötig haben. Du kannst mir glauben, wenn ich dir sage, daß wir die ersten sein werden, die mit helfen, diese Gesellschaft zu demolieren. Nachher, du weißt, was ich meine, beim Aufbau sind wir bestimmt auch wieder die ersten. Vergiß nicht, daß unsere Organisation an Zahl ungefähr 188000 Mann stark ist. Aber ich kriege Durst. Hailoh, zwei Bier und zwei Korn. Wenn die Kleine nicht mehr kann, soll sie ruhig auch mal einen Kaffee nehmen.“ „Ihr sollt auch eine eigene Gerichtsbarkeit haben?“ „Das ist nun wieder so ein gelehrtes Wort! Natürlich machen wir meist unsere Geschichten untereinander ab, in den meisten Fällen gibt’s Bierstrafen. Das ist immer besser als Polizei, und man hat auch etwas davon. Wenn etwas Schlimmes passiert, gibt es natürlich Haue. Der Geschädigte hat das Recht, sich einen Sekundanten zu wählen. Der Kampf findet meist in dem Handwerks saal statt, und falsche Griffe werden natürlich nicht erlaubt. Wenn Friede gerufen wird, muß der Kampf eingestellt werden. Kommt man nicht freiwillig, dann wird man herbeigeschafft.“ ,,. . . Begräbnisse?“ „Die hast du doch selbst mitgemacht, mein Junge. Ich muß mich schon sehr irren, wenn ich dich voriges Jahr nicht auf dem Friedhof gesehen habe. Nicht wahr, damals, als einer der unseren begraben wurde, den die Immertreuleute erschlagen haben, die Ganoven! Erst kommt ein Trupp in bloßen Hemdsärmeln mit den Abzeichen des Handwerks:Winkeleisen, Hammer und Hobel, worauf Zitronen gespießt sind. Am Grab wirft jeder eine Scholle Erde auf den Sarg mit den Worten: Als Fremder bist du gereist, als Fremder bist du gestorben, als Fremder sollst du in fremder Erde begraben sein. Natürlich wird bei so einem Begräbnis auch viel getrunken. Ohne Bier geschieht bei uns nichts. Pfaffen gibt es nicht, kommt gar nicht in Frage. „Ihr sollt oft Krach haben mit den Bauherren?“ „W eißt du, wir haben so unsere Gewohnheiten auf dem Bau. Wir fangen morgens pünktlich an, aber wenn es Feierabend ist, hören wir pünktlich auf. Nur ein angefangener Sägeschnitt muß vollendet werden und ein Loch aus gebohrt, da das Werkzeug niemals im Holz steckenbleiben darf. Ungern lassen wir uns von jemand auf die Finger gucken. Wenn der Bauherr so etwas macht, kostet ihn das meistens viel Geld. Wir arbeiten natürlich gerade dann langsamer, und wenn er dann noch nicht versteht, daß er verschwinden muß, holt einer der Jungens dann den Schnürtrog, die Schnur wird ausgezogen, der Bauherr damit umwunden, und dann sagt einer den Spruch: 109