MEDIZINER ALS PHILOSOPHEN Von RUDOLF GROSSMANN •b •Ä.Vi i> 5 'r A ' ?V»«i N ach einem Zeitalter, dessen Summe von Fleiß, Geschick und Genie der Materie gewidmet war, befinden wir uns heute mitten in der Reaktion. Ein metaphysisches Zeitbedürfnis mit neuen Inhalten ist im Begriff, sich durch- 2 usetzen. Ein neues seelisches Milieu entsteht. Allerdings steckt die Wissenschaft vom Geistigen noch in den Kinderschuhen. Nach dem anders gerichteten 19. Jahrhundert ist die Psychologie noch von gestern und die psychische Forschungist noch jünger. Im Grunde ist es eine Krise des Verstandes, eine Krise seiner Denkschemen, seiner Ver suchsmethoden, auf die die bisherige Wissenschaft, von der Mathematik ausgehend, sich in der Richtung von Mechanik, Astronomie, Physik, Che mie bewegt hatte. Diese Verstandeskrise rief schon das Unbewußte auf den Plan und schuf in seinem Extrem eine grotesk anmutende Prothese im Okkultismus. Es wächst die Schar der Magier zu sehends, wie Pilze schießen Hellseher, Charakterologen oder Erfühler herauf. Spiritisten sind momentan etwas de- modiert. Sie haben ihren Geist im Wesenlosen nicht allzu lange halten können und ihn uns schon zu oft und zu kraß in naiv-kindlichen Sym bolen immer wieder materialisiert. Aber auch innerhalb der Wissen schaft selbst — und hier interessieren uns die Mediziner —gärt es. Der alte Wahrheitsstreit, das alte Leib-Seelen-Problem, dieser ewige Zwiespalt, den schon auf der einen Seite Plato, auf der anderen Aristo teles vertreten haben, wird in neuer Form wieder aktuell. Man hat auch von einer Krise der Medizin gesprochen, die jungen und die alten Mediziner verstehen sich nicht mehr recht. Die jungen glauben sich mißverstanden und wollen ihre Pro bleme anders gewertet sehen. Die junge Medizin will den Komplexen-Menschen, und will an ihn eine ausgedehnte Apparatur heranbringen. Spezialistentum ist verpönt, und sie sind im ganzen spekulativer eingestellt. Eine neue Form von Hausarzt mit tieferer Einsicht wäre ihr Ideal. Während dieses Hinundhers gewinnt das Kurpfuschertum immer mehr an Boden. £ jV *3 Rud. Grossmann Prof. Kraus