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steht, erscheint mir unzweifelhaft. An und für sich wäre keine Gruppe der Nation berufener als Bilbao gewesen, um eine solide, porenlose „urbs“ zu er richten. Dennoch ist es, als es sich ausbreiten wollte, aus dem von der Stadt-’ Verwaltung vorgeschlagenen offiziellen Profil entflohen. Die wirkliche Er weiterung von Bilbao ist nicht die, die so heißt, sondern Neguri, Algorta, Las Arenas — die zentrifugale Ortschaft mit Länderei im Innern. (Ein über die Maßen anziehendes Thema wäre eine Morphologie der Städte!) Die echte Stadt setzt die Vorherrschaft des Platzes voraus; des Markt platzes, des Gerichtsplatzes. Genau so, wie man die Kanone als ein Loch mit Stahl darum definiert, wäre es recht exakt zu sagen, daß die Stadt eine Lücke oder ein Platz ist, der von Fassaden umgeben wird. Der Rest des Hauses, jenseits der Fassade, ist für die „urbs“ nicht wesentlich. (Der Leser frische sein Bild von Athen und Rom auf.) Dies will besagen, daß es nur eine „urbs“ gibt, wo. das Oeffentliche über das Private vorherrscht, der Staat über die Familie. In ganz Kantabrien geschieht das Gegenteil: der Instinkt der Bluts gemeinschaft triumphiert über den politischen Instinkt, und dies erklärt uns mit einem Schlag die Zersprengtheit der Baulichkeiten und die Hypertrophie der Wappen. Die Kantabrier und Basken fühlen den Stolz der Familien-Tra- dition und leben, von einer Stammes-Illusion ermuntert. Die Familien-Pflanze krallt sich an einem Stück Ackerland fest, weil sie tiefe Wurzeln braucht, um damit ihr tausendjähriges, pflanzliches Schicksal zu nähren. Ich entsinne mich, bei P. Guevara gelesen zu haben — ich weiß nicht, ob in seinen Briefen oder in seinem „Geringschätzung des Hofes und Lob des Dorfes“ —, daß zu seiner Zeit jeder, der für reich gelten wollte, sich kastilisch nannte, und wer es vor zog, für adelig zu gelten, baskisch. Heute ist der Reichtum. — relativ, sehr relativ: in Spanien gibt es keine Reichen — nach Kantabrien ausgewandert aber der Stammes-Stolz dauert da fort, wo er war, und verewigt jenes innere Fieber, das die wappengezierten Mauern der Casonas phantasierend aus- ■Witzen. (Deutsch von Mäxvmo Jose Kahn.) -v r' Heinz Fuchs (Litho) 541