Friedrich Gäbe! MARGINALIEN BEGEGNUNG MIT ANDRE GIDE Von Alf Schmidt Ich kam nach Paris mit dem sehnlichen Wunsch, den Dichter der „Nourritures terrestres“ persönlich zu sehen, ihm Aug’ in Auge meinen Dank zu sagen. Hölderlin, Nietzsche, Walt Whitman und Gide waren die Führer meiner Jugend, die Begeisterung meiner Wanderungen gewesen und sind es bis heute geblieben. Ich war allein in Paris, kannte niemand, der mich Gide hätte vorstellen können, wußte nicht einmal seine Adresse. Als Wandervogel ließ ich mich durch solche Bedenklichkeiten nicht weiter einschüchtern, ging eines Morgens zur Nouvelle Revue Fran^aise, ließ dort einen Brief an Gide mit meiner Adresse zurück und wollte alles Weitere auf gut Glück abwarten. Mittags schon telefo nierte Gide an, ich solle um vier Uhr zu ihm kommen. Punkt vier Uhr stand ich in einer stillen, kleinen Straße des Quartier latin vor einem unansehnlichen Hause, das aber sichtbar die Nummer 6 trug, die mir Gide angegeben hatte. Ich ging also hinein und lief mit seltsamen Gefühlen die sechs Treppen des Hauses hinauf. Ich klingelte, wurde von einem Fräulein ein gelassen, durch einen langen Gang voll Gerümpel geführt und stand schließlich vor einem Zimmer, aus dem mir Musik entgegenklang. Ich klopfte schüchtern an. Auf ein trockenes „Entrez!“ trat ich ein. Andre Gide saß auf einem Podium hinter dem Flügel und hatte meinen Be such wohl in seinem Spielen vergessen. Ein wenig unwillig über die unliebsame Unterbrechung, stieg er langsam und zögernd von seinem Podium herunter, for- 798