Peter Milde FASSADEN Von OTTOMAR STARKE E s war eine sinnige Zeit, die die Häuserfronten mit Adamiten bevölkerte. Auf jeder handbreiten Konsole faßten sie Fuß und brachten sich in irgendeiner schönen Pose zur Geltung. Als Flora streuen sie steinerne Blumen von Pfund gewicht über den ahnungslosen Mann, der laut Befehl an einer Drahtmatte mit eingelegtem Kugel-Salve die Füße abzustreifen bemüht ist. Barfüßige Dryaden schneiden zwischen Hochparterre und Belletage Korn, das sie neckisch in der Schürze präsentieren. Vom Säugling bis zum greisen Rentenempfänger bemüht man sich, auf den Schultern die für den Nachmittagskaffee der Schmid und Schulze wichtigen Balkone zu tragen. Man tritt mit Familie, Kind und Kegel auf, hält als Vater und Mutter mit strotzenden Bizepsen und dito Brüsten zwischen sich die Glasplatte mit der goldenen Hausnummer über dem Entree oder bildet kompagnieweise mit eurythmischen Bewegungen zwischen den Fensterzügen Friese. Viele ächzen auf dem Dachfirst, wo es nichts zu tragen und zu stützen gibt, unter der selbstauferlegten Last riesiger Kugeln, wie stellenlose Varietekünstler^ die heimlich üben. Viele deuten mit lädiertem Pfuifinger aufgeregt in irgendeine Himmelsgegend, über Geschehnisse alteriert, deren Kenntnis den Organen un serer Sphäre wohl auf ewig verschlossen bleiben wird. Andre sind in stummes den- 2* 773