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wenigstens einbilden), denn dann gibt es kaum einen Zurückkehr mehr. Die Scheidungsprozesse in Schweden sind nämlich ganz im Gegenteil von denen Amerikas. Und ich glaube man lebt darum lieber in einer kleinen Hölle-Ehe statt sich scheiden zu lassen, wenn die Hölle natürlich nicht zu heiß ist, das kommt aber manchmal auch in den besten Familien vor, zum Vergnügung der Presse, die nie was dagegen hat herrliche Familienskandalen zu verbreiten (dort ist es ja ein besonderes Vergnügen, da sich in dem Volksarmen Land beinahme jeder kennt). Anderswo staunt man selbstverständlich, wenn man hört, daß man in Schweden ohne weiters allein zu jemanden hinaufgehen kann um ein Buch auszuborgen usw., ohne das es per Eilbote durch die Stadt läuft, und man den guten Ruf verliert. Man verläßt sich auf die Nordpolnähe, das heißt auf den kühlen Charakter; aber man soll sich bestimmt nicht zu viel auf das Eis verlassen, weil manchmal kann die Sonne auch anfangen zu scheinen und es wird wärmer. Warum ist man in Schweden in der Liebesangelegenheit so unaufrichtig gegen sich selbst, also zum anderen? Man macht als ob: „was geht mich ,den stora kärleken' (die große Liebe) an?“ Man ist wohl doch nicht auf der Erde um Theater mit sich selbst zu spielen! Aber ich muß sagen, man hat sich doch sicher gut entwickelt, so ein Optimist würde sagen: „Bald gibt’s in Schweden eine 100 Prozent ,kultivierte' Liebe.“ Im Allgemeinen haben die über die Liebe ihrer Kinder bestimmenden Eltern schon ihre Vernunft zurückbekommen. Das war auch höchste Zeit, weil so eine gezwungene, ja ich möchte sagen, frisierte Liebe war unerträglich für die armen Kinder. Man durfte nur nach Familienwunsch lieben. Man könnte Kaufmanns tochter oder Bankiersohn sein, das spielte keine Rolle, Erlaubnis mußte man „in der Tasche" mitnehmen. Jetzt ist man Gott sei dank, ja sogar nach dem Gesetz, ein bischen freier, so man darf mit eigenen Gedanken und eigener Seele (wenn man eine hat) herumlaufen. Aber es gibt eine Liebe die, glaube ich, nur in Schweden vorkommt, und die versöhnt einen mit allem, was man sonst tragen muß, nämlich die „Waldliebe“. Oh, das ist eine süße, altmodische Liebe! Die erregt sich dort, wo ein nicht auf dem Platz geborener Mensch sich vor Weltverlassenheit mindestens aufhängen würde; dort, wo die nähesten Baustätten viele Kilometer von einander liegen. Trotzdem findet man sich immer. Und diese Verhältnisse kann kein Paradies schlange stören, da kein Mensch so ein Steinherz hat, um diese heilige Sache zu verderben. Ja sogar, wenn jemand sich in den einen von den beiden leiden schaftlich verlieben würde, könnte man es nicht einmal auf einer Wimper merken. Denn sowas zu zeigen verbietet das schwedische Urwaldgesetz und das liegt für jeden in der Luft. Auf diese heilige Waldliebe trifft das Lied, das man in den Großstädten singt, nicht zu: Om jag vore kär i kenne och hon vore kär i me) dä slapp man att alltid va trenne när man skulle ut pä galej. (Wenn ich in sie verliebt wäre und sie genau dasselbe in mich, dann brauchten wir nicht immer zu dritt bummeln gehen.) 770