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Erna Pinner DIE FRAU IM ORIENT Vo n ERNA PINNER I m heutigen Nachkriegseuropa herrscht ohne Zweifel ein embarras de richesse an reizvollen Frauen. Diesem Angebot steht von seiten der Männer statistisch eine geringe Nachfrage gegenüber. Börsenmäßig gesprochen ist der Mann Geld und die Frau Brief in Europa. Im Orient ist die Situation umgekehrt. In Bagdad kommen zum Beispiel in der englischen Kolonie auf 200 Herren etwa 30 Damen der Gesellschaft. In diesem Höllenklima, 36 Autostunden von Damaskus in die Wüste, ist, wie mir nicht nur die Frau eines hohen englischen Offiziers dort versicherte, „the most wonderful place“ in der Welt für eine Lady. Was bedeutet auch gegen solche zahlenmäßigen Chancen des Flirts die Notwendigkeit, infolge der Hitze und des alles wie mit Schimmel überziehenden gelben Wüstensandes, der Wechsel von mindestens drei weißen Waschkleidern pro Tag? Einundzwanzig in der Woche und vierundachtzig im Monat! Was bedeutet der sichere Erfolg einer weder jungen noch reizvollen Frau gegen die fatale Einrichtung, um vier Uhr morgens aufzustehen, um bis zehn, wenn die große Hitze kommt, bereits ge ritten, Tennis gespielt und den Haushalt absolviert zu haben, oder ab Mai nachts auf dem Dach unter dem Moskitonetz zu schlafen! Die Damen sind dort sehr im Gegensatz zu ihren Gatten ,,fond of Bagdad“ und verlieren sicht lich an Sicherheit und äußerem Erfolg, je mehr sie sich auf dem Schiff bei ihrer zweijährigen Urlaubsreise Europa nähern. Sie kaufen dafür gleich in Venedig für die nächsten zwei Jahre „Bagdad“ achtzig Waschkleider auf