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NOCH EINMAL HAGENBECK Von PAUL ElPPER I. D ieser Name ist ein Begriff; auch der Buschmann kann sich etwas dar unter vorstellen. Die sächsischen Hochzeitspärchen erzählen zu Hause vom Stellinger Tierparadies; der Lappländer weiß, wie gut Hagenbeck eine Völkerschau honoriert; in Indien, so sagten schon die Witzblätter des vorigen Jahrhunderts, flieht der Tiger beim Anblick einer Hagenbeckschen Karawane, und in jedem Hafen der Welt kennt man die Kisten mit der Aufschrift: „living animals Hagenbeck“. In Frankfurt a. M. gibt es sogar „Hagen- becks Tigertee“. Popularität also wie Bismarckhering, Singer-Nähmaschinen, Maggi und Beech nut. Und das rieht erst seit gestern. Bereits im Jahre 1887 brachten Hagenbecksche Singhalesen dem Pariser jardin d’acclimatisation in 2K Mo naten eine Million Besucher. II. So eindeutig das Wort Hagenbeck ist, so wandelbar der Vorname. Claus, Carl, Wilhelm, John, Lorenz und weiß nicht was. Darum endlich einmal eine genaue Genealogie: Im Jahre 1848 erwarb der Hamburger Fischhändler Gottfried Claus Carl Hagenbeck von einem Nordseekapitän einige Seehunde, die er bei Kroll zur Ausstellung brachte. Das war der Beginn des Tiergeschäftes und der An fang der Weitberühmtheit. Von Gottfriedens neun Kindern interessieren uns Carl, Wilhelm und ihr Stiefbruder John. Carl (1844 bis 1913) übernahm schon in jungen Jahren das Tiergeschäft; er schlug bald die gesamte Kon kurrenz, hatte Fänger und Abnehmer für seine Tiere auf der ganzen Welt, fand die Idee der „Völkerschau“ und schuf in seinem Stellinger Tierpark die Urzelle humaner Tierhaltung. Mit seinem Bruder Wilhelm begründete Carl Hagenbeck 1885 die so genannte „zahme Dressur“. Darunter versteht man die Anpassung eines Menschen an „wilde“ Tiere, eine Behandlung, die nicht auf Furcht, Peitsche und Radau basiert, sondern auf Tierauswahl, Tierbeobachtung, Tierliebe. Statt des veralteten Vorführwagens stellten die beiden Brüder den großen Rundkäfig auf und ließen als die ersten junge Löwen, Tiger, Bären und Leoparden in der geräumigen Arena zusammen spielen, zu ihrem Vergnügen und zu unserer Freude. Nach Carl Hagenbecks Tod bauten seine Söhne Lorenz und Heinrich den Stellinger Tierpark aus und förderten das Export- und Importgeschäft mit fast allen Ländern der Erde. Auch der Zirkus wurde weiter gepflegt, In Scheveningen, in Essen und in Wien stehen Zirkusgebäude Hagenbecks, und ein Reiseunternehmen arbeitet neun Monate im Jahr mit einer Tier- und Völkerschau, die zum Transport von Stadt zu Stadt zwei Extrazüge benötigt. 108